VON THORSTEN KLINKNER
Die Stiftung als Option im Gesellschaftsrecht sorgt für den Erhalt eines Unternehmens für die Ewigkeit. Da keine vermögenswerten Beteiligungsrechte bestehen, können andere Marktteilnehmer oder
Finanzinvestoren auch mit noch so hohen Summen keine Mehrheit an einem Unternehmen erlangen. Das nimmt die Sorge vor dem Katastrophenszenario der feindlichen Übernahme, vor allem für
Familienunternehmer.
Das Unternehmen läuft rund, der Gang an die Kapitalmärkte ist erfolgreich verlaufen, und kundige private und institutionelle Anleger haben fleißig in die öffentlich gehandelten Anteile investiert, während die mittlerweile mehreren Zweige der Gründerfamilie mit einer Quote von insgesamt 51 Prozent der mit Abstand größte Aktionär sind und damit eine komfortable Mehrheit in der Aktiengesellschaft besitzen und deren Kurs bestimmen. Der nächstgrößere Investor hält gerade einmal acht Prozent.
Und dann tritt das Katastrophenszenario ein, vor dem sich die Familie schon vor dem Börsengang insgeheim gefürchtet hatte: Ein um einiges größerer Marktteilnehmer will sich das Unternehmen einverleiben, um damit nicht nur den eigenen Umsatz schlagartig zu erhöhen, sondern auch auf Marken, Patente, Vertriebsstrukturen, Mitarbeiter etc. zuzugreifen. Die Eigenständigkeit, die Familien- und Unternehmenstradition würde damit auf einen Schlag enden.
Feindliche Übernahme ist das Stichwort. Dabei bietet ein Unternehmen oder Finanzinvestor den Aktionären einen Preis pro Aktie, der wesentlich höher ist als der aktuelle Börsenkurs – wohlgemerkt an den Interessen der Mehrheitsgesellschafter vorbei. Auf diese Weise will der Interessent auf einen Schlag die Mehrheit im Unternehmen erlangen und damit die Kontrolle in den Führungsgremien übernehmen, um das Unternehmen in seinem Sinne zu steuern.
Aber die Familie hält doch 51 Prozent! Damit ist doch eine feindliche Übernahme gar nicht möglich, da nur 49 Prozent der Aktien bei anderen Eigentümern liegen!, mag man jetzt ausrufen. Aber durch die beiden Zweige sind die 51 Prozent der Aktien auf rund ein Dutzend Personen aufgeteilt, und einer der Erben sieht jetzt eine perfekte Möglichkeit, seine Anteile (4,5 Prozent) äußerst lukrativ zu veräußern. Sein Lebensziel ist nicht unternehmerische und familiäre Kontinuität, sondern ein luxuriöses Leben mit den Erlösen aus seinem Aktienpaket zu führen, ohne Bindung an die Traditionen und den Verhaltenskodex seiner Familie. Und schon kann der Käufer mit einer gezielten Aktion das Unternehmen unter seine Kontrolle zu bringen.
Ein aktuell viel diskutiertes Beispiel ist der Versuch des Elektrotechnikkonzerns Weidmüller den Explosionsschutzspezialisten R. stahl feindlich zu übernehmen. Weidmüller wollte mindestens 50 Prozent der Anteile zu einem deutlichen Kursaufschlag erwerben – aber die Aktionäre lehnten ab. Nur 19 Prozent der Stimmberechtigten wollten jedoch verkaufen, der Versuch scheiterte. Dass es aber auch anders gehen kann, zeigt die jüngste deutsche Wirtschaftsgeschichte: ob die Hoesch-Übernahme durch Krupp, die Akquisition von Buderus durch Robert Bosch oder der Kauf des Maschinenbauers FAG Kugelfischer durch INA/Schaeffler.
Einen echten Schutz gibt es für herkömmlich strukturierte Aktiengesellschaften mit frei handelbaren Anteilen vor einer feindlichen Übernahme nicht, sobald ein größerer Teil des Kapitals an die Märkte gebracht worden ist, um dadurch Liquidität einzusammeln. Jedoch besteht die Möglichkeit, die Eigentümerrechte an einem Unternehmen anders zu gestalten und so die Mehrheit dauerhaft im Schoße der Familie zu wahren. Die Stiftung ist ein Instrument, das Unternehmern eine Option im Gesellschaftsrecht schaffen kann. Schließlich hat eine Stiftung weder Gesellschafter noch Aktionäre, auch dann nicht, wenn sie eine (börsennotierte) Aktiengesellschaft kontrolliert. Eine solche AG wird durch Schenkung oder Erbschaft in die Stiftung eingebracht, die damit zur Eigentümerin wird. Die Stiftung selbst wiederum ist hingegen eigentümerlos. Das heißt, konkret: Die Stiftung verwaltet als eigenständiges Konstrukt eine Ertragsquelle und wird nur durch den Willen des Stifters und der von ihm eingesetzten Organe in dessen Sinne geführt. In der Substanz ist die Stiftung auf ewig gesichert, genau wie das Unternehmen, das die Stiftung mehrheitlich besitzt.
Eine feindliche Übernahme, also die Akquisition gegen den Willen der aktuellen Inhaber, kann von Rechts wegen nicht gelingen. Der potenzielle Käufer kann niemals mit seinem Angebot, das immer oberhalb der aktuellen Bewertung liegen wird, an Gesellschafter oder Aktionäre herantreten, um auf diesem Wege die Mehrheit zu erwerben und damit das Kontrollrecht zu erlangen. Es existieren keine Anteile, die transferiert werden können, selbst nicht zu den fantastischsten Preisen. Kein Familienmitglied kann der Verkaufsverlockung erliegen, da es zwar je nach den Vorstellungen des Stifters von den Erträgen der Stiftung profitieren kann, aber eben keine vermögenswerten Beteiligungsrechte besitzt.
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung zeigt, wie das funktioniert. Mit dem Tod von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach am 30. Juli 1967 ging sein gesamtes Vermögen auf die von ihm errichtete Stiftung über, die ihre Tätigkeit am 1. Januar 1968 aufnahm. Heute beträgt der Anteil Stiftung an der ThyssenKrupp AG rund 23 Prozent. Damit ist die Stiftung größte Einzelaktionärin. Bei einem Börsenwert von mehr als neun Milliarden Euro (Geschäftsjahr 2013) ist das ein Sicherheitsmechanismus für den ewigen Erhalt des Unternehmens.