VON THORSTEN KLINKNER
Familienunternehmen können sich an der Börse frisches Kapital beschaffen. Wird dies mit einer Stiftungs-Strategie kombiniert, können Unternehmerfamilien langfristig Ihren Einfluss sichern,
Zersplitterung vermeiden und das Unternehmen zukunftsorientiert steuern und stärken.
Landläufig denkt man in der breiten Öffentlichkeit bei börsennotierten Unternehmen an die großen Tanker der Weltwirtschaft, die milliardenschwer und global unterwegs sind. Auf beispielsweise DAX-
oder NASDAQ-Ebene ist dieser Eindruck auch richtig: Dort finden sich mit etwa Mercedes-Benz und der Deutschen Bank, Unilever und American Airlines die führenden internationalen Unternehmen. Und
als der chinesische Internethandelskonzern Alibaba kürzlich in New York an die Börse gegangen ist, sah die Welt das größte IPO (initial public offering) aller Zeiten.
Doch diese Volumen sind die Ausnahme, nicht die Regel. Denn in den weltweiten Indizes finden sich eine Vielzahl von sogenannten Small und Mid Caps (also kleine und mittlere Werte), die in ihren
jeweiligen Märkten zur internationalen Spitze gehören und deshalb auch bei den Anlegern beliebt sind. Sie stehen häufig für hohe Solidität und prognostizierbare Kurssteigerungen sowie
Dividendenrenditen und punkten mit Tradition, Herkunft und gewachsenen Eigentümerstrukturen. Auch zahlreiche deutsche Mittelständler finden sich darunter. Sie haben ihre Kapitaldecke und
Liquidität durch die Ausgabe von Aktien gestärkt, aber die Kontrollrechte liegen in vielen Fällen aufgrund der Aktionärsstruktur fest in der Hand der angestammten Eigentümerfamilie.
Ein Beispiel dafür ist der westfälische Modekonzern Gerry Weber. Das Unternehmen ist seit Sommer 2011 im SDAX der Deutschen Börse notiert. Rund 46 Prozent der Anteile gehören den Gründern Gerhard
Weber und Udo Hardieck. Weber ist auch weiterhin Vorstandsvorsitzender des Konzerns, Hardieck fungiert als Aufsichtsrat, und die Kontrollrechte der Gründer und Großaktionäre werden eben durch
deren Mehrheiten gesichert. Wie harmoniert eine derartige Struktur mit einer Stiftungs-Strategie?
Auch Unternehmen, die in einer privatnützigen Stiftung gesteuert werden, können an der Börse notieren. Die Stiftung kann Anteile in beliebiger Höhe halten. Hält die Stiftung zum Beispiel
(lediglich) eine Mehrheitsbeteiligung können alle anderen Anteile an der Börse von institutionellen und privaten Anlegern erworben und wieder verkauft werden.
Was heißt das konkret? Dies lässt sich am Beispiel eines bekannten deutschen Unternehmens festmachen. Die Fielmann AG betreibt insgesamt rund 570 Augenoptikergeschäfte in
Deutschland (Stand: 2013) und gilt in der Branche als Marktführer. Die Fielmann-Aktie ist dem MDAX zugeordnet. Im freien Handel sind jedoch nur 49 Prozent der Anteile verfügbar, 51 Prozent hält
die Fielmann Familienstiftung, die von Günther Fielmann, dem Gründer, alleinigen Vorstandsvorsitzenden und Hauptaktionär der AG, gegründet wurde und alleinig geführt wird. Er hatte aus seinem
Aktienbestand, im Rahmen seiner Pläne der generationenübergreifenden Unternehmensnachfolge, im Herbst 2012 fast 25 Prozent der Fielmann-Aktien an seine Familienstiftung übertragen. Damit hat er
der Stiftung die ewige Kontrolle über das Unternehmen gegeben, da niemals ein anderer Gesellschafter die Mehrheit erlangen kann. Die Aktien der Stiftung sind nicht im freien Handel verfügbar, da
sie von der Stiftung als kontrolliert werden.
Die Fielmann AG ist somit am Kapitalmarkt aktiv und kann an den Vorteilen der internationalen Märkte partizipieren. Aber – abhängig vom individuellen Stifterwillen – können die Kontrollrechte
niemals geändert werden, sie bleiben immer in Familienhand. Vorstände können nur auf Betreiben der Stiftung eingesetzt und ausgetauscht werden, strategische Maßnahmen werden nur mit dem Placet
der Stiftung umgesetzt, und, und, und. Daran ändern weder „Revolten“ auf Hauptversammlungen noch hohe Angebote von Investoren für die frei verfügbaren Aktien. Die Mehrheit ist immer sicher,
selbst wenn ein Familienmitglied oder -stamm ausschert; auch er kann nichts verkaufen, da er nur an den Erträgen partizipiert, ihm aber nichts gehört.
Eine Börsennotierung ist also auch für Familienunternehmen gefahrlos möglich, ohne die Kontrollrechte und Mehrheiten aufs Spiel zu setzen. Die Kapitalaufnahme an den Märkten gelingt bei
gleichzeitiger Erhaltung der traditionellen beziehungsweise gewünschten Eigentümerstrukturen. Ein Unternehmer, der seine Organisation an die Börse bringen will, kann den ewigen Einfluss der
Familie und den Bestand des Unternehmens durch die Errichtung einer Stiftung sichern. Hält diese eine einfache Mehrheit am Unternehmen, ist kein Eigentümerwechsel möglich. Das Unternehmen
verbleibt in den Händen der Stiftung und kann nicht zersplittert werden. Und eine Unternehmensnachfolge ist so auch unproblematisch möglich, da die Stiftung für die benötigte Kontinuität
sorgt.