VON THORSTEN KLINKNER
Die Mehrheit an der Fielmann AG gehört der von Unternehmensgründer Günther Fielmann errichteten Fielmann Familienstiftung. Sie soll eine generationenübergreifende Unternehmensnachfolge sicherstellen. Aus diesem Grund hatte der Optiker im Jahr 2012 einen großen Teil seiner Aktien an die Stiftung übertragen.
Diese Nachricht haben im April wohl die meisten an Wirtschaft interessierten Menschen mitbekommen. Der „Brillenkönig“ Günther Fielmann hat kürzlich bekannt gegeben, dass sein Sohn Marc, 25, ihm innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre an der Unternehmensspitze nachfolgen soll. Vor rund 43 Jahren hatte Günther Fielmann in Cuxhaven sein erstes Geschäft eröffnet und sein Unternehmen beharrlich zu einer führenden Kette ausgebaut, die sogar an der Börse notiert ist und derzeit mit gut fünf Milliarden Euro bewertet wird.
So weit, so gut, mag man sich jetzt denken: Solche Prozesse kommen in einem Familienunternehmen eben vor, um es in den Händen der Familie zu halten. Das Besondere an der Fielmann AG ist aber, dass Günther Fielmann schon vor vielen Jahren eine besondere Option der gesellschaftsrechtlichen Gestaltung gewählt hat, um sein Unternehmen in die Zukunft zu führen. Und das eben in Kombination mit der Börsennotierung, sodass der Unternehmer zwei Welten verbinden kann: den freien Handel mit Anteilen zur Kapitalisierung der AG an den weltweiten Märkten auf der einen Seite und die langfristige Sicherung der Besitzverhältnisse am Unternehmen durch die Familie.
Dazu hatte sich Günther Fielmann final im November 2012 entschlossen, als er seiner Familienstiftung ein großes Aktienportfolio aus seinem Besitz übertragen hatte. In der damaligen Ad-Hoc-Mitteilung klang das so: „Günther Fielmann – Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG (ISIN: DE0005772206) sowie Stifter und Alleinvorstand der Fielmann Familienstiftung – hat heute bekannt gegeben, dass er im Zuge der Umsetzung seiner Pläne einer generationenübergreifenden Unternehmensnachfolge aus seinem Aktienbestand 24,52 Prozent der Aktien an der Fielmann AG auf die Fielmann Familienstiftung übertragen hat, sodass die Fielmann Familienstiftung eine Beteiligung von 51,00 Prozent an der Fielmann AG hält. Diese Maßnahme sichert auf Dauer den bestimmenden Einfluss und die Führungsverantwortung der Familie Fielmann in der Fielmann AG.“
Doch was genau heißt das jetzt, dass Günther Fielmann Aktienanteile an seine Familienstiftung übertragen hat, um die generationenübergreifende Unternehmensnachfolge (Fielmanns Tochter Sophie soll nach ihrem Studium ebenso Aufgaben in der AG übernehmen) zu sichern? Wie kann das funktionieren, und welche Auswirkungen hat das auf das börsliche Engagement? Ist die Fielmann AG überhaupt noch ein „öffentliches Unternehmen“, um den englischen Begriff des „Initial Public Offering“ einmal zu übertragen?
Fangen wir mit der Beantwortung hinten an. Selbstverständlich ist die Fielmann AG ein „öffentliches Unternehmen“, denn eine Minderheit der Aktien ist ja ganz normal im Markt verfügbar und sind auf Günther Fielmann, seine Kinder und fremde Aktionäre (Streubesitz) aufgeteilt. Diese Anteile können freilich ganz normal gehandelt werden, sodass immer Bewegung bei den Aktieninhabern und Verschiebungen bei den Minderheitsbesitzverhältnissen möglich sind. Denn niemand kann beispielsweise Günther Fielmann daran hindern, einen Teil seiner Aktien zu verkaufen, oder einen ausländischen Aktionär, seine Beteiligung aufzustocken.
Doch was ist nun mit den Mehrheitsverhältnissen? Sie sind der Kern der Fragestellung – denn die Struktur, die Günther Fielmann geschaffen hat, verhindert eine Mehrheit fremder Aktionäre. Die
Kontrolle über die AG wird immer in den Händen der Familienstiftung liegen, die wiederum von der Familie Fielmann geleitet wird. So hat Günther Fielmann es geschafft, die Vorteile der
Kapitalmärkte mit denen der Familienstiftung zu verbinden.
Die Fielmann Familienstiftung ist Mehrheitsaktionärin der Fielmann AG, und das wird sie auch immer bleiben. Denn aufgrund der besonderen rechtlichen Konstruktion der privatnützigen Stiftung sind die Anteile innerhalb der Stiftung verselbstständigt und können dort nicht herausgezogen werden. Nicht durch einen Beschluss der Hauptversammlung, nicht durch einen Alleingang des Stiftungsvorstandes, nicht durch deine feindliche Übernahme, nicht durch Erbstreitigkeiten.
Die Fielmann Familienstiftung gehört nur sich selbst: Sie ist von innen und außen unantastbar, sodass die Mehrheit nicht gefährdet ist – und damit auch die Kontrolle der Familie Fielmann niemals enden wird. Denn unter dem Dach der Stiftung kann ein Unternehmen nicht aufgegeben, zersplittert oder verkauft werden, wie es bei einer AG oder GmbH eben sonst aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Struktur möglich ist. Es existieren schließlich keine handelbaren Gesellschaftsanteile, die den Besitzer wechseln können. So wird um ein Unternehmen in (mehrheitlichem oder vollständigem) Stiftungsbesitz eine Brandmauer gezogen, die sich nicht einreißen lässt.
Günther Fielmann hat bewusst diesen Schritt zu einer Steuerung des Unternehmens gewählt. Der langfristige Erhalt seines Lebenswerks steht dabei im Vordergrund, kurzfristige Erlösmöglichkeiten
oder auch umfassende Kapitalisierungsmöglichkeiten spielen eine untergeordnete Rolle – ansonsten wäre die freie Verfügbarkeit der Aktien an den weltweiten Kapitalmärkten wesentlich
entscheidender. Das Stichwort ist die langfristige Eigentümerstruktur. Bei ihr geht es um den psychologischen und emotionalen Aspekt hinter der Unternehmens- und Familienführung und darum, ein
Familienunternehmen transgenerational fortführen zu können und Kontrollrechte auf der Grundlage einer bestimmten Kultur zu sichern. Und zwar auch dann, wenn ein Fremdmanagement tätig wird, weil
sich aus der Familie kein Nachfolger fürs Operative rekrutiert.