Würth-Gruppe: „Die Enkel können nicht das Firmengeld für Ferraris verjubeln.“

VON THORSTEN KLINKNER

Der erfolgreiche Unternehmer Reinhold Würth hat seine Adolf Würth GmbH & Co. KG und die österreichische Würth Promotion Ges. m. b. H. als Eigentümerinnen zahlreicher weltweiter Gesellschaften schon vor fast 30 Jahren in fünf Familienstiftungen eingebracht. Damit ist die Würth-Gruppe ein glänzendes Praxisbeispiel für die Einrichtung einer unternehmensverbundenen Stiftung als Top-Holding.


Allein die Zahlen beeindrucken: Rund 67.000 Mitarbeiter sorgten im Jahr 2014 für mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz; dieser stammt aus über 400 Gesellschaften in 86 Ländern. Dabei ist aber nicht die Rede von einem multinationalen Top-Konzern mit komplexen aktienrechtlichen Strukturen, verworrenen Beteiligungen, einflussreichen Großaktionären und Investoren, die mit Finanzkraft und Begehrlichkeiten auf ihre Übernahmechancen warten. Sondern von einem Familienunternehmen aus dem baden-württembergischen Künzelsau: der Würth-Gruppe.

 

1945 von Adolf Würth als Schraubenhandlung gegründet, übernahm Sohn Reinhold Würth nach dem Tode des Vaters im Jahre 1954 mit 19 Jahren das Geschäft gemeinsam mit seiner Mutter Alma (2006 verstorben) und entwickelte es nach und nach zum weltweit führenden Handelskonzern für Produkte der Befestigungs- und Montagetechnik. Die Würth-Gruppe zählt zu den größten nicht-börsennotierten Unternehmens Deutschlands, Mutterunternehmen ist die Adolf Würth GmbH & Co. KG, die als haftungsbeschränkte Kommanditgesellschaft einen Großteil der Gesellschaften der Gruppe im In- und Ausland hält.

 

Allein diese Geschichte kann als Zeugin des deutschen Wirtschaftswunders und der Innovationskraft, des Fleißes und der Weitsichtigkeit einer Unternehmerfamilie gelten. Aber Reinhold Würth hat mit der Würth-Gruppe noch etwas anderes gezeigt, nämlich wie sich das Instrument der Familienstiftung dazu nutzen lässt, eine internationale Top-Holding zu schaffen und die stiftungsverbundenen Unternehmen damit gegen jeden äußeren Einfluss und vor Zersplitterung zu schützen. Reinhold Würth hat bereits 1987 sein unternehmerisches Lebenswerk in die von im sorgfältig konzipierte Stiftungsstruktur ein.

 

Damit nutzte Würth die Möglichkeit der unternehmensverbundenen Familienstiftung, um seinem Unternehmen sowohl ein Dach als auch eine undurchdringliche Mauer zu geben. Ein Dach, unter dem das Unternehmen ganz im Sinne des Unternehmensgründers wachsen und gedeihen kann, und eine Mauer, hinter der es vor den Konsequenzen geschützt ist, die sowohl GmbHs als auch AGs sonst regelmäßig ereilen (können) – von der Erbstreitigkeit über die Veräußerung von Assets von Erben aufgrund eines eher selbstbezogen-hedonistischen Lebensstils bis hin zu direkten feindlichen Übernahmeversuchen der Konkurrenz oder kaufkräftiger Investoren. Dies kann dann dazu, dass der Einfluss der Familie nach und nach bröckelt und eine externe Partei Einfluss im ursprünglichen Familienunternehmen übernimmt.

 

Zumal eine solche rechtliche Lösung auch die wesentlichen strukturellen Nachfolgeproblematiken ausschaltet. Denn die Familienstiftungen als neue Eigentümerinnen der Adolf Würth GmbH & Co. KG, der österreichischen Würth Promotion Ges. m. b. H. und damit auch aller Beteiligungen ersetzen die Verantwortlichen auf Gesellschafterebene. Denn das, so zeigt die Praxis, ist oftmals das Kernproblem in Familienunternehmen: Es findet sich kein Nachfolger auf Gesellschafterebene. Die Familienstiftung hingegen übernimmt diese Rolle und ermöglicht so den Fortbestand des Unternehmens unter der Führung eines familiären operativen Nachfolgers oder eben eines Fremdmanagements.

Dieses ist auch in der Würth-Gruppe in operativer Verantwortung. Die Konzernführung besteht aus vier Mitgliedern und ist mit einem klassischen Holding-Vorstand vergleichbar. Darunter sind die Leiter der 24 strategischen Geschäftsbereiche angesiedelt, in darauf folgenden Ebene die Geschäftsführer der Einzelgesellschaften. Über all‘ dem steht jedoch der Beirat, geführt von Reinholds Würth Tochter Bettina. Er genehmigt die Unternehmensplanung und die Verwendung der Finanzmittel, berät in strategischen Fragen und bestellt das Top-Management. Seine Mitglieder sind renommierte Manager anderer Unternehmen, Reinhold Würth ist Ehrenvorsitzender des Beirats.

 

Der Ehrenprofessor und mehrfache Ehrendoktor fungiert auch als Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth Gruppe und hat damit laut eigenen Angaben während seiner Lebzeit das finale Entscheidungsrecht inne. In einem Interview sagte der 80-Jährige: „Im  Rahmen  der  Familienstiftungskonstruktion  hat  der Stiftungsaufsichtsrat  praktisch  die  Rolle  des  Kapitaleigners in  einer  Aktiengesellschaft  auszuüben:  Die  Jahreshauptversammlung einer AG bestimmt die Aufsichtsräte und hat das Recht, strategische Weichen für die Zukunft zu stellen. Analog hat der Stiftungsaufsichtsrat der Würth-Gruppe praktisch die  Position  der  Aktionäre  in  der  Hauptversammlung  einer Kapitalgesellschaft und ist damit das Gremium, welches die große Linie der zukünftigen Geschäftspolitik bestimmt.“ 

 

Das bedeutet kurzum: Das Firmenvermögen der Gruppe liegt geschützt im Schoß der Stiftungen; das operative Geschäft der Adolf Würth GmbH & Co. KG, der österreichischen Würth Promotion Ges. m. b. H und der übrigen Gesellschaften wird von einem versierten externen Management geführt; die großen Leitlinien gibt Reinhold Würth an der Spitze der Stiftung vor, unterstützt vom Beirat. Damit hat die Einbringung des Vermögens in die Familienstiftungen dazu geführt, die mannigfachen Verantwortlichkeiten einer gehobenen und damit komplexen Unternehmensführung auf verschiedene Säulen aufzuteilen: Geschäftsführung – Gesellschafterebene – Kontrollgremium. Gleichzeitig hat Würth den späteren Einfluss der Familie auf die Gruppe per Satzung dergestalt begrenzt, dass fremde Aufsichtsräte nachrücken müssen.

 

Diese Aufsichtsräte sind nicht an die Weisungen der Familie gebunden und bestimmen auch ihre Nachfolger selbst. Das soll Kompetenz und Stabilität im Unternehmen sichern und so dafür sorgen, dass die Gruppe in der Zukunft auch weiterhin erfolgreich am Markt agieren kann. Denn wichtig ist: Die Stiftungsverbundenheit schränkt die Mobilität eines Unternehmens ganz gleich welcher Größe nicht ein; die Organisation agiert, wie es der Markt gewohnt ist.

 

Gesellschaftsrechtlich liegt also folgende Struktur vor: Die Carmen Würth-, Bettina Würth-, Marion Würth- und Markus Würth-Familienstiftung treten als Kommanditisten der Adolf Würth GmbH & Co. KG auf. Sie sind also Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft und stellen damit eine Holding-Struktur her. Und da Stiftungen grundsätzlich nur sich selbst gehören, bestehen an den Würth-Familienstiftungen keinerlei Beteiligungsrechte oder -pflichten. Damit muss kein Erbe rechtliche Verantwortung fürs Vermögen übernehmen – aber gleichzeitig kann auch kein Erbe der jetzigen oder späteren Generation Schritte ergreifen, die dem Betriebsvermögen schaden könnten.

 

Gleichzeitig ist die Versorgung aller Nachkommen so lange gesichert, wie die Unternehmensgruppe Geld erwirtschaftet. Denn die Gewinne der Würth-Gruppe fließen den Familienstiftungen zu, diese wiederum schütten sie nach in den Stiftungssatzungen geregelten Modellen an den Begünstigten aus; diese stammen aus den jeweiligen Linien der direkten Nachkommen von Reinhold Würth. Das Prinzip ähnelt damit der gängigen Ausschüttungspraxis an die Anteilseigener in GmbH- oder AG-Strukturen, aber eben nicht verbunden mit Eigentums- oder Besitzstandsansprüchen. Der Hintergrund: Mit den stabilen Zuwendungen ist die finanzielle Zukunft der Kinder und Kindeskinder gesichert, aber die Würth Gruppe kann nicht ausgenommen werden – oder wie der Prinzipal es bereits 2003 in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betonte: „Die Enkel können nicht das Firmengeld für Ferraris verjubeln.“

 

Das Beispiel der Würth-Gruppe zeigt: Die unternehmensverbundene Familienstiftung ist eine rechtliche, strategische Option, um ein Unternehmen, das Vermögen und die Familie langfristig abzusichern und neue Entwicklungspotenziale zu eröffnen. Mögliche Risiken aus GmbH- und AG-Recht werden durch die Stiftungslösung abgesichert, indem Besitzrechte an der Stiftung als Eigentümerin ausgeschlossen werden. Familienunternehmer versorgen sich und die Familie und wahren ihr Lebenswerk im Schoße der Stiftung, ohne den unternehmerischen Geist einzuschränken.