VON THORSTEN KLINKNER
Bei Aldi Nord brodelt es, es wird gerichtlich um die Vorherrschaft einer der drei Familienstiftungen gerungen, die 19,5 Prozent des Gesamtvermögens kontrolliert. Grund dafür ist eine nicht konforme Satzungsänderung, die zeigt, wie wichtig die sorgfältige Satzungsgestaltung und laufende Kontrolle des satzungsgemäßen Vorgehens einer Familienstiftung ist. Aber auch, welche Rolle familiäre Befindlichkeiten bei der Satzungsgestaltung spielen können.
Die Geschichte könnte von Drehbuchautoren nicht besser geschrieben worden und ist ein wahres Fest für die Medien, von der seriösen Wirtschaftspresse bis hin zum Boulevard. In aller Öffentlichkeit wird ein richtungsweisender Streit zwischen den Familienzweigen des 2010 verstorbenen Aldi Nord-Gründers Theo Albrecht geführt, es geht um Einfluss auf Aldi Nord und die diversen Töchter im Ausland sowie um den Zugriff auf das Vermögen des Handelsgiganten. Es geht um ein Vermögen von geschätzt mindestens 14 Milliarden Euro.
Dabei hat Theo Albrecht bereits ein strategisches Instrument genutzt, um das Unternehmen langfristig zu erhalten, das Vermögen zu schützen und die Familien zu versorgen. Der streng katholische Bruder des Aldi Süd-Gründers Karl Albrecht hat drei Familienstiftungen eingerichtet, vermutlich benannt nach den Evangelisten des Neuen Testaments Markus und Lukas sowie dem Apostel Jakobus. In den Stiftungen liegen die Anteile von Aldi-Nord nebst diverser Töchter im Ausland, vor allem der US-amerikanischen Lebensmittel-Einzelhandelskette Trader’s Joe mit 453 Filialen. Damit verwalten die drei Familienstiftungen das Gesamtvermögen von Aldi Nord und Trader Joe’s, sind für einen Umsatz von mehr als 68 Milliarden Euro (2014) und rund 260.000 Mitarbeiter verantwortlich.
Die Aufteilung innerhalb der drei Familienstiftungen sieht folgendermaßen aus: Die Markus-Stiftung mit 61 Prozent der Anteile hat die größte Macht, je 19,5 Prozent liegen bei der Jakobus- und der Lukasstiftung.
Die Markus-Stiftung wird von Theo Albrechts Witwe Cäcilie Albrecht (Vorsitzende) und deren Sohn Theo Albrecht junior (stellvertretender Vorsitzender) geführt. Darüber hinaus gehören dem Vorstand auch Marc Heußinger als Aldi Nord-Geschäftsführer („Gesamtverantwortlicher“) und der langjährige Anwalt von Unternehmen und Familie Emil Huber an. Der Vorstand fungiert als Kontrollgremium für den Verwaltungsrat, der Aldi Nord geschäftsführend leitet.
Die Lukasstiftung wird von Theo Albrecht junior geführt, während an der Spitze der Jakobus-Stiftung zwei Nichten von Theo Albrecht junior stehen, die Töchter von Berthold Albrecht, Theos jüngerem Bruder, der 2012 plötzlich verstorben war.
Seit dessen Tod tobt ein Streit um die Machtverhältnisse in der Jakobus-Stiftung. Laut Medienberichten gilt bei allen wichtigen Entscheidungen bei Aldi Nord das Konsensprinzip, die Vorstände aller drei Stiftungen müssen zustimmen. 2010 hatte Berthold Albrecht über eine Satzungsänderung verfügt, dass der Vorstand der Markus-Stiftung Emil Huber auch Vorstand der Jakobus-Stiftung werden soll – entgegen der 2001 bei der Gründung definierten Praxis, dass die Stiftung nur von Familienmitgliedern geführt werden soll. Somit wurde Huber nach dem Tod Berthold Albrechts als Stiftungsvorstand bestellt, aber später von den beiden Töchtern abberufen. Ebenso wollten die Töchter eine Satzungsänderung durchsetzen, die von der Stiftungsaufsicht aber mit Verweis auf die genehmigte Satzung von 2010 und die rechtswidrige Abberufung des Anwalts abgelehnt wurde. Dagegen zogen die Witwe Berthold Albrechts Babette und ihre fünf Kinder vor Gericht; aus Angst, durch die neue Konstruktion entmachtet zu werden.
Und das mit Erfolg, die Kläger konnten einen Formfehler in der Satzungsänderung nachweisen, sodass diese unzulässig war. Es waren 2010 nicht alle Vorstandsmitglieder bei der Entscheidung anwesend, Berthold Albrecht hatte für das fehlende Mitglied Hartmut Wiesemann unterzeichnet („Zugleich für den erkrankten H. W.“). Die Kläger trugen vor Gericht vor, die Stellvertretung sei nicht möglich gewesen, § 9 Ziffer 6 der Satzung sehe eine Anwesenheit aller Vorstandsmitgliedervor. Mitgliedschaftsrechte seien persönlich auszuüben, die Stellvertretung sei rechtlich nach § 38 Satz 2 BGB und auch § 664 Satz 1 BGB (iVm § 23 Abs. 3 BGB) nicht möglich. Zudem gehe es um persönliche Kompetenz und Willensbildung. Das Verwaltungsgericht Schleswig stimmte dem zu. Selbst die Tatsache, dass der Stifter selbst die Vertretung ausgeübt habe, lasse keine andere Wertung zu. Denn der Stifterwille sei entscheidend für den Stiftungszweck und die Auslegung der Satzung. Er sei oberste Handlungsmaxime. Der Stifter sei dabei auch an seine eigene Satzung gebunden. „Er stehe insoweit nicht über der Satzung.“ Gegen die Entscheidung hat die unterlegene Seite um Theo Albrecht junior Berufung eingelegt.
Er sagte dem „Handelsblatt“: „Mein Bruder würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft“ und warnte laut der Wirtschaftszeitung: Wenn die alte Satzung wieder gelte, könnten die Kinder von Berthold „das Unternehmen am Nasenring durch die Manege führen; sie hätten damit ein unbegrenztes Erpressungspotenzial“ – wegen des Konsensprinzips. Theo Albrecht junior wirft seiner Schwägerin Babette und ihren Kindern einen ausschweifenden Lebensstil vor. Um diesen zu finanzieren, sollen sie laut Albrecht übermäßig viel Geld aus der Stiftung gezogen haben. Das alles sei eine Belastung für das Unternehmen, das über allem andere stehen müsse, ganz im Sinne der familiären Tradition.
Was zeigt dieser Fall? Es kommt bei der gelungenen Konzeption einer Familienstiftung insbesondere auf die familiäre Situation an. Diese muss mit allen Beteiligten diskutiert und dann sorgfältig in der Satzung formuliert werden. Was will die Familie, worauf lässt sie sich ein? Die Stiftungssatzung ist die Schatzkammer, in der die Werte des Stifters bewahrt werden. Sie regelt den Umgang mit dem Vermögen, die Bezugsberechtigung, die Mitwirkungspflichten und -rechte und vieles andere mehr. Die Satzung ist das, was die Stiftung ausmacht, und deshalb muss sie mit viel Bedacht und Sorgfalt formuliert werden. Und das eben nicht nur, um den Familienfrieden zu wahren und die Ertragsquelle innerhalb der Stiftung zu sichern. Sondern eben auch, um im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Entscheidungen bezüglich der Stiftung, der Destinatäre und des eingebrachten Vermögens rechtssicher gestalten zu können. Auch eine dauerhafte Begleitung und Kontrolle der Rechtskonformität bei allen Entscheidungen kann einen entscheidenden Vorteil für die transgenerationale Vermögensstruktur bringen.AAAADas Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig veranschaulicht, welche Verantwortung dem Vorstand bei einer Satzungsänderung obliegt und zu welchen Unübersichtlichkeiten mehrere Satzungsänderungen in nahem zeitlichen Zusammenhang führen können. Da ein formeller Verstoß grundsätzlich zur Unwirksamkeit führt und bei einem Mangel der Beschlussfähigkeit stets ein beachtlicher Mangel vorliegt, ist bei der Beschlussfassung immer darauf zu achten, dass die formellen Vorgaben der Satzung eingehalten werden. Insbesondere lassen sich so Fehler vermeiden, die nur schwer rückgängig gemacht werden können.
Der versierte Stiftungsberater wird sämtliche juristischen, strategischen und ökonomischen Rahmenbedingungen genauestens austarieren, um die Satzung so aufzubauen, wie sie bestmöglich den Zielen des Zielen des Stifters entspricht – auch über seinen Tod hinaus. Denn nur auf diese Weise bleibt die Stiftung „lebensfähig“ im Sinne des Stifters, dessen Ziel es ja nicht ist, eine „weiche Verfassung“ zu errichten, die nach seinem Tode nach Gutdünken und hinsichtlich individueller (monetärer) Interessen laufend angepasst wird.