VON RECHTSANWALT DR. CHRISTOPHER RIEDEL
Die Stiftung ist kein Instrument, um ausgehend von kurzfristigen Erwägungen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche auszuschließen. Aber es existieren Gestaltungsinstrumente, damit die
stifterische Asset Protection nicht an Pflichtteilsforderungen scheitern muss.
Der Pflichtteil im deutschen Erbrecht (und auch die allermeisten internationalen Rechtsordnungen, zumal in Europa, kennen den Pflichtteil) sichert den nächsten Angehörigen, insbesondere den
Kindern und Ehegatten, eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Der Pflichtteil wird unabhängig vom Willen des Erblassers gewährt. Dies gilt auch bei sämtlichen gemein- und privatnützigen
Stiftungsgeschäften, wie der Bundesgerichtshof 2004 gegen das Oberlandesgericht Dresden bestätigt hat: Pflichtteilsberechtigten können auch nach einer Stiftungserrichtung Ansprüche auf die
gesetzlich festgelegte Pflichtteilsquote zustehen. Eine Pflichtteilsvermeidung durch die reine Einsetzung einer Stiftung als Erbin gegen den Willen der Pflichtteilberechtigen ist vom Gesetzgeber
nicht gewollt und auch nicht möglich.
Dies ist auch gesetzlich recht eindeutig geregelt. Der Stifter muss unter anderem nach §§ 2303ff. und 2325ff. BGB auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche Rücksicht nehmen. Er kann
nicht durch den mit einer Stiftungsgründung zwangsläufig verbundenen Vermögensabfluss zeitgleich auch den Pflichtteilsanspruch von Abkömmlingen oder des Ehegatten reduzieren oder sogar ganz
ausschließen. Das in die Stiftung übertragene Vermögen unterliegt den allgemeinen Pflichtteilsrechtsbestimmungen des BGB.
Der gesetzliche Pflichtteil errechnet sich aus dem Gesamtnachlass (auf die Stiftung übertragenes Vermögen sowie alle weiteren Vermögenswerte). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Stiftung im
Testament des Erblassers als Alleinerbe, Miterbe oder als Vermächtnisnehmer vorgesehen ist. Dem Pflichtteilsberechtigten steht jedenfalls die Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils zu.
Dieser Berechnung wird in jedem Fall auch das Vermögen zugrunde gelegt, das nach dem Willen des Erblassers auf die Stiftung übertragen werden soll. Dadurch ist die Einsetzung der Stiftung von
Todes wegen erst einmal mit dem Pflichtteilsanspruch verknüpft; die Stiftung entbindet nicht von der zivilrechtlichen Vorgabe, die gesetzlichen Erben am Vermögen partizipieren zu lassen. Und das
gilt sowohl für gemeinnützige als auch für privatnützige, insbesondere Familienstiftungen.
Vom Grundsatz her unterliegen auch Schenkungen (also die Stiftungserrichtung zu Lebzeiten) dem Pflichtteilsrecht – in Form der Pflichtteilsergänzungsansprüche. „Hat der Erblasser einem Dritten
eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass
hinzugerechnet wird“, heißt es dazu im BGB, und darüber hinaus hat das Oberlandesgericht Karlsruhe sogar Auskunftsansprüche von Pflichtteilberechtigten gegenüber einer vom Erblasser zu Lebzeiten
ausgestatteten Stiftung bejaht.
Viele Stifter haben natürlich ein Interesse daran, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu vermeiden. Zum einen wollen sie die Vermögenssubstanz dadurch nicht schädigen, und zum
anderen wird die Versorgung der Familie ja gerade durch die Einsetzung der Familienstiftung sichergestellt. Zudem wollen sie häufig Streit in der Erbengeneration durch die Einsetzung der Stiftung
vermeiden und verhindern, dass Anteile an Personen- oder Kapitalgesellschaften veräußert werden können – ein Risiko, das durch die Familienstiftung als „ewige“ Eigentümerin ausgeschaltet werden
kann.
Auf welche Gestaltungen kommt es also an, das für die Stiftung vorgesehene Vermögen vor Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu sichern? Zeit, Kompensation und Übereinkunft mit der
Familie sind die drei entscheidenden Schlagworte für jeden angehenden Stifter.
Ansprüche sind ausgeschlossen, wenn seit der Schenkung mindestens zehn Jahre vergangen sind. Mit jedem Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, vermindert sich der anzurechnende Anteil des
Wertes der Schenkung um zehn Prozent, will heißen: Nach zehn Jahren sind alle Ansprüche ausgeschlossen. Ein Stifter, der sich frühzeitig für die Einsetzung einer Familienstiftung entscheidet –
vielleicht auch im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Optimierung – kann dadurch den Zeitfaktor nutzen, um sich und das Vermögen abzusichern. Achtung: Bei der Stiftung beginn die Zehnjahresfrist
frühestens mit der Anerkennung des Stiftungsgeschäfts. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der Stifter das Vermögen tatsächlich aus der Hand gibt und sich auch keine umfassenden
Nutzungsrechte (etwa einen Nießbrauch) vorbehält, da nach der Rechtsprechung sonst die Frist mitunter nicht zu laufen beginnt.
Ist dieses zeitoptimierte Vorgehen nicht möglich, lassen sich auch – im Gegenzug für einen Verzicht auf die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche – finanzielle Kompensationen im
Rahmen von Erb- beziehungsweise Pflichtteilsverzichtsverträgen gestalten. Dadurch werden die Erben monetär dafür entschädigt, dass das Vermögen in die Stiftung überführt wird und ihnen keine
weiteren Zahlungen aus der Erbmasse zustehen.
Die beste Absicherung ist aber natürlich Einigkeit in der Familie. Zieht die Familie an einem Strang und erfolgt die Stiftungserrichtung konsensual, um unternehmerisches Vermögen langfristig zu
schützen (bei gleichzeitiger Versorgung der Familie über die Erträge der Stiftung), wird die Zehn-Jahresfrist mehr oder weniger obsolet. Dann steht die strategische Gestaltung innerhalb der
Familie an erster Stelle und wird nur noch durch juristische Maßnahmen in einen rechtssicheren Rahmen gegossen. Dies umfasst dann selbstverständlich auch die juristische Absicherung mithilfe von
Verzichtsverträgen.
Zusammengefasst bedeutet das: Die Stiftung ist kein Instrument, um ausgehend von kurzfristigen Erwägungen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche auszuschließen. Dies lässt der
Gesetzgeber nicht zu. Dennoch existieren langfristig orientierte Gestaltungsinstrumente, damit die stifterische Asset Protection nicht an Pflichtteilsforderungen scheitern muss. Es ist Aufgabe
des Stifters und seiner Berater, diese Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen – und die Familie bestmöglich mit einzubinden.
Dr. Christopher Riedel ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Düsseldorf und berät Mandanten bei allen Fragestellungen rund um die Unternehmens- und Vermögensnachfolge
und kombiniert dabei Erbrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht. Seine wirtschaftlich tragfähigen und in den Familien akzeptierten Nachfolgekonzepte bilden die Basis der anschließenden zivil-
und gesellschaftsrechtlichen Umsetzung und – nicht zuletzt – der steuerlichen Optimierung. Weitere Infos:
www.christopherriedel.de