VON MONIKA BÖRNER
Der Blick auf Emotionen und Dynamiken erleichtert und hilft. Die Inhaberschaft an einem Familienunternehmen hat für viele Anteilseigner eine starke emotionale Seite. Ob Gründer oder Erbe, im Unternehmen aktiv oder Verantwortung tragender Gesellschafter – es stellt sich oft eine schwer zu beschreibende emotionale Verbundenheit zum Familienunternehmen ein. Es mag der Gestaltungsraum sein, die Sinnhaftigkeit, die dem Unternehmen zugrunde liegt, die Erinnerung an die Ahnen oder die Dankbarkeit für Wohlstand und besondere Möglichkeiten, die viele Gesellschafter dazu bewegen, ihre Aufgabe ernst, verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert anzunehmen.
In vielen Unternehmerfamilien wächst die Zahl der Anteilseigner, besonders in den westlichen Industrienationen. Dadurch entstehen neue Herausforderungen. Um diesen gerecht zu werden müssen Situation, Konstellation, Aufgabenwahrnehmung und Interessen der Inhaberfamilie vor dem Hintergrund des Unternehmertums verstanden und eventuell neu strukturiert werden. Dabei muss die Einzigartigkeit einer jeden Unternehmerfamilie berücksichtigt werden. So unterschiedlich einzelne Situationen und die jeweiligen Historien auch sind, allen ist eines gemein: Ständig müssen Entscheidungen getroffen werden, die die Zukunft des Unternehmens und der Familie beeinflussen. Das ist eine große Aufgabe. Klug ist, wer die Fähigkeit gute Entscheidungen zu treffen ständig weiterentwickelt.
Der erste Schritt ist eine gute Vorbereitung. Zur Unterstützung in diesen Entscheidungssituationen stehen viele Erkenntnisse, Modelle, Studien und Vergleiche zur Verfügung. Rechtliche,
wirtschaftliche und steuerliche Faktoren werden dabei häufig sehr intensiv beleuchtet. Immer mehr Fachrichtungen untersuchen und diskutieren Daten und alle möglichen Zusammenhänge der
Wirtschaftswelt. Entwicklungen beschleunigen, die Märkte werden komplexer, Einflüsse kommen aus unzähligen Richtungen und es wird immer deutlicher, dass das wachsende Fachwissen nicht immer
größere Entscheidungssicherheit bringt.
Genau hier kann die Systemische Organisationsaufstellung einen wertvollen Beitrag liefern. Sie ist in der Lage, unbewusstes, aber sehr wertvolles Wissen zutage zu fördern. Sie blickt über die
offensichtlichen, sich an der Oberfläche befindlichen, Dinge hinaus auf die Dinge, die sich im Unterbewusstsein der Einzelnen abspielen. Die Systemische Organisationsaufstellung verdeutlicht
somit wichtige emotionale Einflussfaktoren, die berücksichtigt werden sollten, um Friede und Stabilität für Unternehmen und Familie herzustellen und zu bewahren. Wer sich diesen Faktoren stellt,
fühlt sich erleichtert und kann bisher vernachlässigte, aber einflussreiche Aspekte verstehen, verändern und einbeziehen.
Im zweiten Schritt bewirkt der Blick auf das Gesamtsystem Familienunternehmen, dass die gewonnenen Erkenntnisse zusammengeführt werden und so zu Verständnis und Würde zwischen Familienmitgliedern
aller Generationen und Stämme verhelfen. Erst dies fördert eine zielorientierte Kommunikation und schafft eine tragfähige Entscheidungskultur.
Besonders die Entscheidung, wie der Generationenübergang verlaufen soll, ist ein kritischer Moment, denn sie kann die Struktur der Familie sowie die Rechtsform des Unternehmens nachhaltig
verändern. Rechtsberatung stellt dabei zum einen sicher, dass alle geltenden Gesetze und Richtlinien eingehalten werden. Zum anderen kann sie dem Wunsch der Mandanten Rechtssicherheit geben.
Voraussetzung hierfür ist aber, dass dieser klar herausgearbeitet wurde!
Um also eine gute Übergaberegelung, zum Beispiel durch Gründung einer Stiftung, gemeinsam mit einem Rechtsberater zu entwickeln braucht es auch hier eine gute Vorbereitung. An dieser Stelle erfordert es Mut, sich Fragen zu stellen, sich selbst aus der Distanz zu betrachten und den eigenen Sehnsüchten und Sorgen zu öffnen. Die daraus erwachsene Bewusstheit macht die Welt nicht planbarer. Doch aus ihr entstehen Respekt, Zuneigung und Klarheit – wesentliche Voraussetzungen für eine gute Übergabe sowohl auf der Ebene des Unternehmens als auch der Familie. Ein klar und bewusst entwickeltes Ziel ist wesentlich, um dieses so rechtlich zu verankern, dass es vor Fehlinterpretation oder sogar Missbrauch geschützt ist. Darüber hinaus ermöglicht eine ehrliche Betrachtung offener und versteckter Motive eine für alle Betroffenen nachvollziehbare Entscheidungsfindung.
Wer wahr- und ernstgenommen wurde, kann die Folgen einer Entscheidung besser akzeptieren und mittragen, als jemand, der sich übergangen oder unverstanden fühlt. Friede und Entscheidungsfähigkeit innerhalb der Inhaberfamilie kann auf diese Weise gesichert werden. Und nur auf einem solchen Fundament kann eine tragfähige Übergabe erfolgen.
Entscheidungen sind ein ständiger Begleiter der Unternehmerfamilien. Entscheidungsfähigkeit kann mit einer Disziplin verglichen werden, die sowohl auf individueller Ebene als auch auf
Gruppenebene trainiert und weiterentwickelt werden kann. Auf diesem Boden kann gemeinsam innovativ, verantwortungsbewusst und erfolgreich gestaltet werden.
Monika Börner ist als Gesellschafterin der 4. Generation aktiv in der Family Governance Ihres Familienunternehmens tätig und kennt viele Fragestellungen aus eigenem Erleben. Als studierte Betriebswirtin (EMBA – General Management) und ausgebildete Systemische Beraterin begleitet sie Familienunternehmen bei Entscheidungsprozessen.