VON THORSTEN KLINKNER
Verpflichtet sich ein Stifter in dem Stiftungsgeschäft dazu, Teile seines Vermögens im Zuge einer Schenkung oder einer Erbschaft an eine Familienstiftung zu übertragen, unterliegt diese erstmalige Vermögensausstattung der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Handelt es sich um Betriebsvermögen, wie Anteile an einer gewerblichen Personengesellschaft oder eine über 25%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wird unter Umständen eine Steuerbefreiung ermöglicht.
Kommt eine Steuerbefreiung nicht in Frage, stellt sich im Hinblick auf die Höhe der Steuer die entscheidende Frage, welche von drei Steuerklassen anzuwenden ist. Die Steuerklasse entscheidet darüber, wie hoch die Entlastung durch den persönlichen Freibetrag und die Belastung durch den Steuersatz ausfällt. Der höchste Freibetrag beträgt EUR 500.000, der niedrigste Freibetrag liegt bei EUR 20.000. Auch bei den Steuersätzen kommt es zu enormen Unterschieden, so liegt der günstigste Steuersatz bei 7% und der höchste Steuersatz bei 50%. Aufgrund dieser enormen Unterschiede sollte im Vorfeld einer Erbschaft- oder Schenkung möglichst genau geprüft werden, welche der Steuerklassen anzuwenden ist.
Über die anzuwendende Steuerklasse entscheidet das Verwandtschaftsverhältnis. Beispielsweise ist bei Schenkungen zwischen Ehegatten die Steuerklasse I bei einem Freibetrag von EUR 500.000 vorgesehen, bei Schenkungen zwischen Geschwistern die Steuerklasse II bei einem Freibetrag von EUR 20.000. Da zu einer Familienstiftung kein Verwandtschaftsverhältnis möglich ist, wäre ohne Sonderregelung nur die ungünstigste Steuerklasse III anzuwenden. Um aber auch bei Familienstiftungen die Anwendung der Steuerklassen I oder II zu ermöglichen, sieht das sogenannte Steuerklassenprivileg für Familienstiftungen vor, dass sich die anzuwendende Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Stifters zu dem „entferntest Berechtigten“ laut Stiftungsgeschäft richten soll. Wichtig: Dies gilt ausschließlich für unentgeltliche Vermögensübertragungen, die nach Art und Höhe genau in dem Stiftungsgeschäft geregelt sind. Allen weiteren unentgeltlichen Übertragungen („Zustiftungen“) an Familienstiftungen ist zwingend die ungünstigste Steuerklasse III zugrunde zu legen.
Die Frage, wer genau „entferntest Berechtigter“ einer Familienstiftung sein kann, ist seit längerer Zeit Gegenstand eines Meinungsstreits zwischen der Finanzverwaltung und Literaturvertretern. Unklarheit besteht dabei in Bezug auf die Fragen, ob als Berechtigter nur die Empfänger der laufenden Zuwendungen („Bezugsberechtigte“) oder auch diejenigen in Frage kommen, an die das Stiftungsvermögen im Fall der Auflösung fallen soll („Anfallsberechtigte“). Strittig ist außerdem, ob ausschließlich bereits Lebende in diese Prüfung einzubeziehen sind, oder aber – wie von der Finanzverwaltung vertreten und zuletzt von dem FG Münster (Urteil vom 18.05.2017, 3 K 3247/15 Erb) bestätigt – auch alle noch ungeborenen Begünstigten laut Stiftungsgeschäft.
Dieser Punkt betrifft die Höhe des anzuwenden Freibetrags, wie folgendes Beispiel zeigt:
Laut Stiftungsgeschäft sind der Stifter, dessen Ehefrau sowie alle Abkömmlinge in gerader Linie Bezugsberechtigte einer Familienstiftung. Der Stifter und seine Ehefrau haben noch keine Kinder. Laut Rechtsauffassung der Finanzverwaltung wäre in dieser Konstellation ein Freibetrag von EUR 100.000 zu gewähren, weil es sich bei den „entferntest Berechtigten“ um die noch ungeborenen Abkömmlinge des Stifters in den kommenden Generationen handelt. Dem wird entgegengehalten, dass nur lebende Personen in die Prüfung einbezogen werden können, sodass im vorliegenden Fall das Verwandtschaftsverhältnis des Stifters zu seiner Ehefrau maßgebend wäre (Freibetrag EUR 500.000 anstatt EUR 100.000).
Antworten auf diese grundlegenden Fragen verspricht nun das anhängige Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (Az.: II R 32/17).