Neues zum Schicksal der steuerlichen Verlustvorträge von stiftungsverbundenen Kapitalgesellschaften

VON THORSTEN KLINKNER

 

Die Übertragung von Anteilen eines Familienunternehmens in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wirft die Frage auf, ob die steuerlichen Verlustvorträge auch nach der Anteilsübertragung an eine Stiftung noch von künftigen Gewinnen abgezogen werden können. Durch die Nutzung steuerlicher Verlustvorträge lassen sich zum Beispiel Anlaufverluste aus der Gründungsphase oder Verluste aus Krisenzeiten dazu nutzen, in Phasen mit hohen Gewinnen einen steuerbedingten Liquiditätsabfluss einzudämmen.   

Da die Besteuerung von Kapitalgesellschaften grundsätzlich unabhängig davon erfolgt, wer Gesellschafter ist oder was Geschäftsgegenstand der Gesellschaft ist, besteht der Gestaltungsansatz des sog. Mantelkaufs darin, inaktive, aber nicht aufgelöste Kapitalgesellschaften aufzukaufen und deren steuerliche Verlustvorträge zu nutzen. Um dem vorzubeugen, hat der Gesetzgeber seit den 1980er Jahren verschiedene Regelungen zur Prävention von Gestaltungsmissbräuchen eingeführt. Gegenwärtig soll die Regelung des § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) derartige Gestaltungsmissbräuche verhindern.


 

In der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom 12.8.2008 (BGBl. I 2008, S. 1672) und den nachfolgenden Fassungen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 2998) hatte der § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG folgende Regelung vorgesehen: Die Übertragung von mehr als 25% und bis zu 50% der Anteile einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber sollte zu einem anteiligen Untergang der Verlustvorträge in Höhe der übertragenen Quote führen (quotaler Verlustuntergang).

 

In dieser Fassung sah das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 29.3.2017, Az.: 2 BvL 6/11) einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 GG. Es trug dem Gesetzgeber daher auf, rückwirkend eine ab dem 1.1.2008 geltende verfassungskonforme Neuregelung zu verabschieden. 

 

Um diese Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, wird der quotale Verlustuntergang nunmehr rückwirkend gestrichen (§ 34 Absatz 6 Satz 1 KStG n.F.). Es hat ihn damit „nie gegeben“. Hierin besteht einer der Eckpunkte des Jahressteuergesetzes 2018, bekannt unter dem Namen „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“.  

 

Dagegen hält der Gesetzgeber weiter an der Regelung des „vollständigen Verlustuntergangs“ fest: Werden binnen fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber übertragen, verliert sie ihre steuerlichen Verlustvorträge vollständig. 

 

Doch auch diese Regelung befindet sich in unruhigen Fahrwässern: Das FG Hamburg (Beschluss vom 29.8.2017, Az.: 2 K 245/17) hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob nicht auch der vollständige Verlustuntergang gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Absatz 1 GG verstößt. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Gesetzgeber in naher Zukunft auch den vollständigen Untergang der Verlustvorträge noch einmal (ggf. rückwirkend ab dem 1.1.2008) neu konzipieren muss.

 

Über den § 10a Satz 10 des Gewerbesteuergesetzes, der die entsprechende Anwendung des § 8c KStG vorsieht, gelten die Neuerungen auch für die Gewerbesteuer.

 

Für angehende Stifter bieten sich auch bei einer Übertragung von mehr als 50% der Gesellschaftsanteile folgende Möglichkeiten, die Verlustvorträge ihrer Gesellschaften unbeschadet in die Stiftungsstruktur zu überführen:

  1. § 8d KStG ermöglicht einen Antrag darauf, dass die Verlustvorträge auch nach der Übertragung von über 50% der Kapitalgesellschaftsanteile an die Stiftung weiterhin erhalten bleiben (fortführungsgebundener Verlustvortrag). Wichtig: Der Antrag kann nur in der Körperschaftsteuererklärung in dem Jahr der Übertragung gestellt werden.
  2. Die Stille-Reserven-Klausel des § 8c Absatz 1 Sätze 5 und 6 KStG sieht eine Fortführung der Verlustvorträge vor, sofern zumindest in gleicher Höhe stille Reserven im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft vorhanden sind. Stille Reserven liegen in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der übertragenen Anteile (=steuerlicher Verkehrswert) und dem Eigenkapital laut Steuerbilanz vor.