VON THORSTEN KLINKNER
Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) sieht nur in Ausnahmefällen eine Freistellungsmöglichkeit für unentgeltliche Vermögensübertragungen vor. So können unter anderem Betriebsvermögen oder das Familienheim bei Übertragungen an Ehegatten oder Kinder begünstigt werden.
Für Barvermögen, Wertpapiere oder anderes nicht begünstigungsfähiges Vermögen bleibt meist nur noch die Möglichkeit, die persönlichen Freibeträge auszunutzen, um das erworbene Vermögen zu schonen. Bei Vermögensübertragungen an eine (deutsche) Familienstiftung richtet sich der gewährte Freibetrag nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und dem entferntest verwandten Berechtigten. Als höchster Freibetrag werden EUR 500.000 gewährt (entferntester Verwandter ist der Ehegatte), typischerweise liegt der Freibetrag jedoch bei EUR 100.000 (entfernteste Verwandte sind die noch ungeborenen Abkömmlinge in gerader Linie).
Haben der Stifter oder die Stifter in zeitlicher Nähe zu einer geplanten Stiftungsgründung selbst als „Ersterwerber“ Vermögen unter Nutzung von Freibeträgen erworben, begegnet uns in der Beratungspraxis immer noch regelmäßig die Befürchtung, dass die kurzfristige Weiterübertragung an die Stiftung eine sogenannte Kettenschenkung sein müsse und dass hierfür ja nicht nochmal ein Freibetrag gewährt werden könne.
In diesem Beitrag widmen wir uns daher der Frage, worum es sich bei dem vermeintlichen Schreckgespenst der Kettenschenkung genau handelt und mit welchen Maßnahmen eine sichere Gestaltung gelingt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 18.7.2013 (Az. II R 37/11; BStBl. II 2013, S. 934) klargestellt, dass eine Kettenschenkung vorliegt, wenn dem Erstempfänger durch die Vereinbarungen mit dem Schenker der eigene Entscheidungsspielraum über die Weitergabe des Vermögens genommen wird.
Dabei legt der Schenker den Erstempfänger so fest, dass dieser das erworbene Vermögen aufgrund einer rechtlichen oder zumindest faktischen Verpflichtung an einen bereits feststehenden Letzterwerber weiterübertragen muss. Man spricht hierbei von einer Schenkung unter Auflage an den Ersterwerber. Damit liegen keine zwei aufeinanderfolgenden Schenkungen vor, die losgelöst voneinander und unter zweimaliger Gewährung persönlicher Freibeträge besteuert werden. Stattdessen wird die Auflage nur bei dem Letzterwerber unter Gewährung des persönlichen Freibetrags besteuert, der sich nach seinem Verwandtschaftsverhältnis zu dem Schenker am Anfang der Kette richtet. Dieser Fall eines „Durchgriffs“ lag auch dem BFH-Urteil vom 13.10.1993 zu Grunde (Az. II R 92/91; BStBl. II 1994, S. 128).
In den Fällen, in denen dem Erstempfänger ein eigener Entscheidungsspielraum für die Weitergabe des Vermögens verbleibt, sind dagegen die aufeinander folgenden Schenkungen getrennt – und damit jeweils nach Abzug eines Freibetrags - zu besteuern (BFH-Urteil vom 10.03.2005 – II R 54/03, BStBl. II 2005, S. 412). Neben dem Entscheidungsspielraum des Beschenkten kann auch gewürdigt werden, ob die Erstzuwendung oder die Zweitzuwendung auf besonderen, außersteuerlichen Zielsetzungen beruhen, die es ausschließen, den Erwerb des Letzterwerbers unmittelbar auf den Schenker der Erstzuwendung zurückzuführen.
Damit die Übertragungen steueroptimiert gelingen, bietet sich folgendes Vorgehen an:
- Sicherstellen des eigenen Entscheidungsspielraumes des Ersterwerbers über die Weitergabe:
Der Ersterwerber darf in keiner Weise rechtlich oder faktisch dazu verpflichtet werden, seinen Erwerb zum Beispiel an eine Stiftung weiterzuleiten.
- Außersteuerliche Gründe:
Typische außersteuerliche Gründe für die Übertragung an den Ersterwerber liegen vor, wenn sich dieser die Schenkung auf etwaige Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche anrechnen lässt. Hierbei liegt typischerweise eine Übertragung der Eltern an ihre Kinder vor. Bei Übertragungen zwischen Eheleuten kommt stattdessen auch die Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch in Frage. Weitere Gründe: es soll haftungsfreies Vermögen geschaffen werden oder anstelle des Schenkers soll der Erwerber kurzfristig die mit dem Vermögen einhergehenden Erhaltungsaufwendungen tragen.
- Schamfrist:
Hierbei handelt es sich um ein Kriterium, zu dem weder die höchstrichterliche Rechtsprechung noch die Finanzverwaltung abschließend Stellung genommen hat. Besteht im Vorfeld der Vermögensübertragung an den Letzterwerber kein Zeitdruck, empfiehlt es sich, nach der Übertragung an den Ersterwerber zumindest eine Frist von ca. einem Jahr einzuhalten.