VON THORSTEN KLINKNER
Der erste Teil dieses Beitrages hat einige Grundsätze der erbrechtlichen Gestaltungsmaßnahmen vorgestellt. Im Weiteren wird betrachtet, wie eine optimale Gestaltung durch Vermischung der einzelnen Ansätze gelingt.
Gemischter Ansatz als Lösungsvorschlag in der Beraterpraxis
Soll es nicht die Stiftungsstruktur zu Lebzeiten sein, empfiehlt sich nach den Erfahrungen aus unserer Beratungspraxis ein gemischter Ansatz: Die Stiftung und das Testament werden dabei nicht als alternative Gestaltungen, sondern einzelne Bausteine gesehen, die zusammen verwendet zu einer optimalen Umsetzung des späteren Erblasserwillens dienen können.
Wem z.B. wichtig ist, dass eine bestimmte werthaltige Immobilie – dies ist oft der Fall bei gleichzeitigem hohen emotionalen Wert – zukunftssicher erhalten bleibt und vor jeglichen Drittansprüchen abgeschirmt ist und gleichzeitig über Barvermögen verfügt, dem bietet sich folgende Lösung: Es kann eine Stiftung für einen bestimmten Vermögensteil, hier z.B. die Immobilie, als Erbin eingesetzt werden. Verfügungen über das restliche Barvermögen kann der Verfügende sodann außerhalb einer Stiftungsstruktur testamentarisch treffen.
Nach diesem Ansatz bleibt festzuhalten, dass das Testament in den meisten Fällen das Mittel der Wahl ist, um über die erbrechtliche Nachfolge zu bestimmen. Die Stiftung bietet dem Stifter durch ihren flexiblen Einsatz als Stiftung zu Lebzeiten oder von Todes wegen eine weitere Option, Vermögensgüter abzusichern. Wann immer der Wille über eine reine Vermögensweitergabe hinausgeht und zusätzliche Aspekte wie der Zugriffsschutz vor Dritten, die Bewahrung von Familieneigentum oder ein besonderes Erhaltungsinteresse eine Rolle spielen, bietet sich die Stiftungsstruktur an.
Abstimmungserfordernisse in der Praxis
Wie gezeigt können Testamente, Erbverträge und Stiftungsstrukturen nebeneinander bestehen und sich ergänzen. Soll der Baustein der Stiftung vor dem Hintergrund eines bestehenden Testaments genutzt werden, gilt es die vorhandenen testamentarischen Regelungen auf ihre Vereinbarkeit hin zu prüfen. Oft ist dem Erblasser – sei es durch fehlende Beratung oder die Unvorhersehbarkeit eines sich nachträglich ändernden Willens – nicht bewusst, dass er sich durch bestimmte letztwillige Festlegungen in seiner Verfügungsbefugnis selbst eingeschränkt hat. Hier muss also mit Hilfe von Rechts- und Steuerberaterleistungen sichergestellt werden, dass nunmehrige Vermögensverfügungen und die Einbindung in eine Stiftungsstruktur möglich sind und wirksam abgebildet werden können.
Bei fehlender Beratung besteht die Gefahr, dass z.B. bei vergessener oder rechtlich nicht möglicher Verfügung trotzdem verfügt und eine Unwirksamkeit erst nach dem Ableben des Stifters festgestellt wird.
Gemeinschaftliches Testament
Ein Beispiel für eine testamentarische Verfügungsbeschränkung stellt das gemeinschaftliche Testament unter Eheleuten mit Kindern dar. Dort wird für den ersten Erbfall in einem ersten Schritt die Versorgung des länger lebenden Ehegatten festgelegt und nach dessen Tod die ausschließliche Begünstigung der gemeinsamen Kinder in einem zweiten Schritt vorgesehen. In diesem auch als „Berliner Testament“ bezeichneten klassischen Fall kommt grundsätzlich eine Einheitslösung zum Tragen: Die Erbschaft auf der ersten Ebene verschmilzt mit dem Eigenvermögen des länger lebenden Ehegatten.
Möglich ist aber auch die Trennungslösung, nach welcher der überlebende Ehegatte nur Vorerbe wird. Ihm stehen sodann sein Eigenvermögen und die Erbschaft als zwei separate Vermögensmassen zu. Bezüglich der Erbschaft des Verstorbenen ist er allerdings in der Regel einer strengen Bindungswirkung unterworfen, die nur dann entfällt, wenn er durch entsprechende Formulierungen in der Verfügung befreiter Vorerbe im Sinne des § 2136 BGB geworden ist.
Oft entstehen dann Überraschungen, wenn dem länger lebenden Ehegatten bewusst wird, dass ihn die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments von nachträglichen Änderungen per Einzeltestament abhält.
Unabhängig von der Bindungswirkung wird häufig schon die Entstehung von Pflichtteilsansprüchen der Kinder, die im klassischen Fall des Berliner Testaments im ersten Erbfall schließlich enterbt sind, nicht bedacht. Dies kann unter Umständen zu hohen finanziellen Verpflichtungen und Gefährdung von Vermögensgütern in ihrem Bestand führen.
Dieser kurze Exkurs über gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen zeigt erneut die Gefahr von möglichen Überraschungen und Konflikten auf, die sich bei der Gestaltung von Vermögensnachfolge ergeben können. Ist – allgemein für sämtliche Strukturüberlegungen gesprochen - nicht im Vorfeld der Erblasser- bzw. Stifterwille wohlüberlegt, scheitert eine Absicherung an den selbst auferlegten Beschränkungen.
Fazit
Der Wunsch nach Vermögensweitergabe mit gleichzeitigem Erhalt der Vermögensgüter scheitert in der Praxis häufig an einer schädigenden Einflussnahme der Erben oder an Ansprüchen außenstehender Dritter. Wie aufgezeigt bergen allerdings auch Handlungen und Verfügungen des Vermögenden selbst, wenn sie vorschnell oder ohne entsprechende Beratung durchgeführt werden, häufig Fallstricke. So kommt es nicht selten vor, dass sich ein Vermögensinhaber durch vergangene Festlegungen selbst die Hände gebunden hat.
Steht es ihm dagegen frei, über zukünftige Vermögensverfügungen zu entscheiden, kann sich der entsprechende Eigentümerwille gut durch erb- oder stiftungsrechtliche Instrumente abbilden lassen.
Diese schließen sich dabei keineswegs aus, sondern sollten als kombinierbare Bausteine angesehen werden, die zusammengenommen zu einer optimalen Umsetzung der individuell gewünschten Vermögensnachfolge und -bewahrung führen.