VON THORSTEN KLINKNER
„Ich möchte eine faire Erblösung finden!“ – das ist häufig die Wortwahl und das Ansinnen von Unternehmern, wenn es um die eigene Nachfolgeplanung geht. Doch was genau bedeutet eigentlich „fair“? Darum soll es in diesem zweiteiligen Beitrag gehen, in dem wir zunächst die Bewertungsschwierigkeiten der Erbmasse sowie im Verlauf die Ansprüche übergangener Erben thematisieren.
In den meisten Fällen ist mit dem eingangs zitierten Wunsch gemeint, dass Abkömmlinge und andere Familienmitglieder ihrem persönlichen Bedarf, ihrer Nähebeziehung zu dem Erblasser oder abhängig von weiteren Variablen entsprechend bedacht werden sollen. Ist die Frage nach dem OB der Begünstigung geklärt, bleibt jedoch das WIE häufig unbeantwortet. Hierdurch entstehen im Erbfall erhebliche Konflikte zwischen den Beteiligten, weil sich plötzlich nicht nur die Frage nach einer gerechten Verteilung, sondern auch die nach der tatsächlichen Teilbarkeit von Vermögensgütern stellt.
Die nachfolgenden Themen der Bewertungsmöglichkeiten von Vermögen sind im Übrigen nicht nur im Rahmen von Erbfällen, sondern auch bei sämtlichen Fragen im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung, Kindesunterhalt oder aber auch für die finanzielle Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit Ansprüchen von Sozialversicherungsträgern wichtig.
Als ersten Schritt bei der Aufteilung oder Verwertung von Vermögen gilt es in all diesen Fällen herauszufinden, aus welchen Vermögensklassen dies sich überhaupt zusammensetzt. Bei der anschließenden Bewertung stellen sich nämlich jeweils spezifizierte Problematiken.
Immobilien
Eine Bewertung einer Immobilie vermag vermeintlich einfach durchführbar zu sein. Der Verkehrswert eines Grundstückes entspricht dem Betrag, der für das reine Grundstück inklusive all dem, was an Bebauung darauf enthalten ist, auf dem Markt erzielbar erscheint. Ein entsprechendes Gutachten kann bei einem Sachverständigen leicht in Auftrag gegeben werden. Dieser wird seine Bewertung dabei auf eines der gängigen Bewertungsverfahren stützen. Darunter ist z.B. das Vergleichswertverfahren, nach dem die Immobilie mit ähnlichen Immobilien und deren jeweiligen Verkaufspreisen in der Vergangenheit verglichen wird. Der Sachverständige kommt hier anhand der Durchschnittswerte auf den Quadratmeter gerechnet zu einem bestimmten Wert. Ist die streitgegenständliche Immobilie vermietet, wird hingegen meist nach der Ertragswertmethode verfahren, wonach – vereinfacht gesagt - die Erträge wie Pacht bzw. Miete und der aktuelle Immobilienmarkt den Wert der Immobilie bestimmen. Eine dritte Methode, die ein Sachverständiger zur Bewertung zugrunde legen kann, ist das Sachwertverfahren. Hiernach erfolgt eine Ermittlung von Bodenwert und Wert der Bebauung separat unter Beachtung der Kosten, die für eine solche Bebauung hypothetisch am heutigen Tage inklusive Einrechnung eines bestimmten Sachwertfaktors anfallen würden.
Sei es als Grundlage nun das Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren, eines ist jedenfalls durch den Sachverständigen nicht beurteilbar: der emotionale Wert einer Immobilie, der oft das Scheitern sämtlicher ausgeklügelter steuerlicher und rechtlicher Konzepte verursacht, wenn er nicht bedacht wird.
Sei es das Familienheim, das für die Kinder des Erblassers nach dessen Tod eine ganz unterschiedliche Bedeutung hat und das nach dem Wunsch des einen verkauft, von den anderen jedoch unbedingt erhalten werden soll. Sei es auf der anderen Seite das Firmengebäude, in dessen Räumen der Grundstein für die spätere Unternehmensentwicklung gelegt wurde und das fernab von jeglichen Begutachtungen einen ganz besonderen Wert für das Unternehmen darstellt.
Die Möglichkeit, über Halten und Verkauf einer emotional wichtigen Immobilie sowie über deren Wert anhand objektiv messbarer Maßstäbe zu entscheiden, besteht jedenfalls in den wenigsten Fällen.
Unternehmensanteile
Ebenso, wenn nicht noch schwieriger, gestaltet sich die Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen. Eine solche erfolgt zumeist nach dem Substanz- oder Ertragswertverfahren. Für das Substanzwertverfahren werden vereinfacht gesprochen alle Unternehmenswerte anhand ihres Wiederbeschaffungswertes abzüglich der Schulden betrachtet. Es hat den Nachteil, dass hier nur eingesetztes Kapital in Anschlag gebracht wird und spielt daher eine eher untergeordnete Rolle bei der Unternehmensbewertung. Verbreiteter ist das Ertragswertverfahren, nach dem die Betriebszahlen der vergangenen drei Jahre bereinigt und dem Durchschnitt nach für die zu erwartenden Betriebsergebnisse der kommenden Jahre inklusive Beachtung des jeweiligen Kapitalisierungsfaktors anhand des Bewertungsgesetzes verwendet werden.
Wichtige, nur mittelbar anhand der Unternehmenskennzahlen zu messende Faktoren, sind z.B. auch ein besonders gutes Unternehmensklima oder eine besondere Firmenphilosophie, die über Jahre hinweg aufgebaut wurde und für den Unternehmer essentiell wichtig, weil nur in seinem Unternehmen in der Art und Weise auffindbar, sind.
Nicht selten weicht die Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen daher auch von dem durch Gutachter errechneten Wert ab. Dies ist besonders dann der Fall, wenn ein einzelunternehmergeführtes Unternehmen in hohem Maße von der Persönlichkeit des Unternehmers abhängig ist und dies bei dem errechneten Wert der Gesellschaft nicht in der Art miteinbezogen werden kann, wie der Unternehmer seinen Marktwert selbst wahrnimmt. Die Bedeutung der Persönlichkeit ist also dort nicht kapitalisierbar.
Geht es nun eigentlich um Überlegungen zur Aufteilung von Vermögenswerten im Rahmen der Erbfolge, entsteht doch bei diesem – eigentlich rein vorbereitenden – Schritt schon enormes Konfliktpotential, bevor es überhaupt zur Frage kommt, ob im Weiteren ein Verkauf oder ein realer Erhalt der Vermögensgüter durch die Erben angestrebt wird.
Wie kann all das nun vermieden werden?
Zentrales Thema sind hier die Vermeidung von enttäuschten Erwartungen aller Beteiligten, da sie die tieferen Ursachen für zwischenmenschliche Konflikte darstellen.
Erwarten die Abkömmlinge eines Erblassers, nach dessen Tod bestimmte Vermögenswerte in bestimmter Höhe zu erhalten und stellt sich dies – entweder durch anderslautenden letzten Willen oder durch von der Erwartung abweichende Bewertung durch Sachverständige – de facto anders dar, entstehen nicht selten Unzufriedenheit und Enttäuschung.
Werden Erben per letztwilliger Verfügung des Erblassers sogar ausdrücklich enterbt, bleibt ihnen grundsätzlich unbenommen, dennoch auf ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch zu bestehen. Dieser besteht dabei der Höhe nach in dem hälftigen Erbteil.
Familienstiftung als Lösung
Will der Vermögensinhaber teure Sachverständigengutachten und die Entscheidung über die Aufteilung von Vermögensgütern an die Familie vermeiden und gleichzeitig die einzelnen Vermögenswerte mit emotionalem Wert für die Familie erhalten, hilft das Modell der Familienstiftung enorm weiter. Die Familie kann an den Erträgen partizipieren, während das Vermögen gleichzeitig frei von Haftungsrisiken im sicheren Hafen der Familienstiftung liegt und wächst.
Es gibt dort wegen der Eigentümerschaft der Stiftung keine Überlegungen zu vermeintlich gerecht erscheinenden Aufteilungen, die im Nachhinein Ungerechtigkeiten mit sich bringen. So mag es im Zeitpunkt des Erbfalls noch als gut durchdacht erscheinen, dem einen Kind Unternehmensanteile zu vermachen und das andere von den Erträgen aus diesen profitieren zu lassen, jedoch unterliegt jedes Unternehmen Schwankungen in der Ertragskraft. Es entstehen ohne eine Stiftungsstruktur folglich Konflikte nach dem Erbfall, die der Erblasser selber nicht mehr schlichten kann. In der Stiftung hingegen profitieren alle Begünstigten in der von dem Stifter vorgesehenen Form von den Stiftungserträgen, unabhängig von einer Eigentümerstellung der Familienmitglieder. Dadurch lassen sich gleichmäßigere und gerechtere Prinzipien schaffen.