VON ELKE FISCHER
Der christliche Glaube verbindet mit dem Tod nicht das Ende, sondern sieht danach die Ewigkeit. Unabhängig vom persönlichen Glauben eines Menschen möchte der eine oder andere mit seinem Testament aus der Ewigkeit gerne in die Gegenwart der Familie und Erben hineinregieren. Und glauben wir Experten, wie z. B. dem Prognostik-Professor Matthias Horx, dann fallen uns viele Entscheidungen und Regelungen leichter, wenn wir sie aus einer positiven Zukunft betrachten und das uns zur Verfügung Stehende dazu nutzen, diese Zukunft zu ermöglichen. Deshalb ist es spannend, sich im Zusammenhang der Testamentserstellung tatsächlich testweise in die Zeitspanne der Nachlassabwicklung zu versetzen und das Ergebnis der eigenen Überlegungen anzuschauen. Als Testamentsvollstreckerin möchte ich heute diesen Blick wagen.
In kürzlich veröffentlichen Stifterbriefen wurden die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten von Testamenten ausführlich beschrieben. Blicke ich in die Praxis der Nachlassabwicklung, fällt mehr denn je auf, dass gute Vorarbeit nicht nur den (späteren) Aufwand zeitlichen reduziert, sondern auch enorme Kosten sparen kann. Und schon finden Sie sich mitten in dem, was Herr Prof. Horx als „Re-Gnose“ beschreibt: das Zurückschauen aus der Zukunft auf heute. So können Sie sich verdeutlichen, was Sie tun möchten, um Ihr Wunschergebnis zu erreichen.
Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, welches Ziel Ihr Testament hat? Optimierung der Erbschaftssteuer, Frieden unter den Erben und Begünstigten, Gerechtigkeit? … wie sieht es aus beim Gedanken an Bürokratie reduzieren, Handlungsfähigkeit erhalten, Familienmitglieder entlasten oder ist sogar ein besonderer Schutz für einzelne Angehörige oder Erben nötig? All diese einzelnen Aspekte kann eine gute Nachfolgeplanung erreichen.
Neben dem Testament trägt die Rechtsform der Stiftung dazu bei, eigene Wünsche gesichert umzusetzen. Nur Wenige denken allerdings an eine Vorsorgevollmacht wenn es um Nachlassangelegenheiten geht. Diese ist als Vollmacht „über den Tod hinaus“ besonders dann wichtig, wenn Sie sich für die gesetzliche Erbfolge oder ein handgeschriebenes Testament und nicht für die notariell beurkundete Testamentserrichtung entschieden haben. Auch wenn dem handgeschriebenen Testament eine komplexe rechtsanwaltliche Gestaltung zugrund liegt, braucht es zur Umsetzung einen Erbschein – und der braucht im Gegensatz zur reinen Testamentseröffnung etliche Fragebögen und vor allem Zeit.
Auch wenn ich als Testamentsvollstreckerin ausschließlich den dokumentierten Willen des Verstorbenen umzusetzen habe, blutet mir das Herz, wenn in kritischen Börsenzeiten Niemand eingreifen kann, um Wertpapiervermögen zu sichern. In den Jahren 2000-2003 oder auch 2008/2009 hat das dazu geführt, dass mancher Erbe einen Großteil des Ererbten zur Bezahlung der Erbschaftssteuer benötigt hat. Denn die Berechnung der Erbschaftssteuer erfolgt auf Basis des Wertes am Todestag. Ist der Kurswert bis zur Verfügbarkeit, also bis zum Zugriff durch einen Erbschein auf 50% abgeschmolzen und wird eine Erbschaftssteuer von 30% fällig, muss sich der Erbe mit 20% des ererbten Vermögens zufrieden geben. Wäre die Erbengemeinschaft rechtzeitig handlungsfähig gewesen, wären ihm 70% geblieben, bei denen er selbstständig hätte entscheiden können, wie er die weitere Anlage gestaltet. Dies ist selbstverständlich nur eine überschlägige Betrachtung. Das Ergebnis bleibt niederschmetternd – auch ohne die tatsächlichen Details auf Euro und Cent.
Genauso wie die Testamentsgestaltung ist die Erteilung von Vorsorgevollmachten (meist in Form der Generalvollmacht) innerhalb der Nachfolgeplanung strukturiert abzustimmen. Die Vereinfachung der Nachlassabwicklung bei einer Vollmacht über den Tod hinaus darf nicht vergessen lassen, welche Verantwortung und Haftung beim Bevollmächtigten liegt. Neben dem uneingeschränkten Vertrauen, das Sie Ihrem Bevollmächtigten entgegenbringen, sollten Sie sich dessen fachlicher und emotionaler Kompetenzen gewiss sein.
Neben dem Bevollmächtigten – später anstelle des Bevollmächtigten – überlegen Sie mit Ihrem beratenden Juristen bitte, inwieweit die Einsetzung einer Testamentsvollstreckung sinnvoll sein kann. Denn auch wenn die Nachlassabwicklung laut BGB zu den Aufgaben und Pflichten der Erben gehört, können die Rahmenbedingungen des Nachlasses, die Erbenstruktur oder regional sehr weit entfernte Wohnorte der Erben eine (zu) große Herausforderung sein. In manchen Fällen soll der Testamentsvollstrecker von Vornherein auch Konfliktpotential reduzieren oder überforderte Familienangehörige schützen.
Da eine Testamentsvollstreckung – egal ob zur Nachlassabwicklung oder dauerhaften Vermögensverwaltung – nicht unerhebliche Kosten verursacht, raten einzelne Notare oder Rechtsanwälte durchaus davon ab. Prüfen Sie deshalb immer, welche Intention Sie mit der Bestellung eines Testamentsvollstreckers verfolgen, ob dieses Ziel auch ohne Testamentsvollstrecker erreicht werden kann und was es Ihnen wert ist. Denn wo es dessen Eingreifen nicht braucht, wird man sich der Dienstleistung unnötigerweise nicht bedienen und wo es ihn braucht, tun Sie gut daran, den für Sie passenden zu finden. Gute Testamentsvollstrecker bieten neben einem fundierten fachlichen Hintergrund auch faire Konditionen. Manchmal findet sich auch im familiären Umfeld oder Freundeskreis eine fachlich geeignete und von den potentiellen Erben anerkannte Persönlichkeit, die bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen.
Denken Sie bei Vertrauenspersonen (und deren Ersatz/Vertretung!) – im Zusammenhang der Vollmacht wie auch beim Testamentsvollstrecker – immer daran, diese aktiv in Ihre Überlegungen einzubinden. Dazu gehört neben rechtzeitigen Gesprächen über deren Wollen und Können auch der Einblick in Ihre Ziele und Wünsche, damit Rückfragen direkt geklärt, Unsicherheiten behoben und Missverständnisse vermieden werden können.
Solche Fragen entstehen oftmals bei Vermächtnissen. Was soll passieren, wenn die Immobilie oder auch nur ein spezieller Gegenstand nicht mehr Teil des Nachlasses ist? Wie ist ein Vermögen aufzuteilen, das durch den persönlichen Bedarf kleiner ist als die Summe der einzeln vermachten Beträge? Wie sind Geldvermächtnisse zu erfüllen, wenn Pflichtteilsforderungen den Nachlass zu weit schmälern? Zu Lebzeiten können Sie selbst diese Fragen aufgrund Ihrer Prioritäten und Präferenzen beantworten, wenn auch manchmal gar nicht so einfach. Braucht es zur Umsetzung des Testaments aber gewisse Auslegungen, sind einem Testamentsvollstrecker schnell die Hände gebunden und auch Erbengemeinschaften müssen nach einem gemeinsamen Weg und einer Einigung suchen. Haben Sie klare Vorgaben gemacht, entfällt nicht nur manche Schleife in Gesprächen, sondern vor allem auch Konfliktpotential lässt sich minimieren.
Neben Vereinbarungen zur Honorierung des Testamentsvollstreckers sind in Testamenten auch postum-Bezahlungen in Vermächtnissen zu finden. Sei es die Pflege, für die man zu Lebzeiten aufgrund familiärer Beziehung oder sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten keine Vergütung vereinbart hat oder auch die Übernahme der Vorsorgevollmacht zu Lebzeiten und zur Nachlassabwicklung. Lassen Sie sich dazu bitte ausführlich beraten. Denn neben der Erbschaftssteuerpflicht können andere Fallstricke Ihre guten Absichten massiv beeinträchtigen.
An dieser Stelle möchte ich Sie einmal mehr sensibilisieren, auch wenn Sie in scheinbar klaren Familienkonstellationen leben. Vielmehr noch, wenn Sie in einer Patchwork-Beziehung oder unverheiratet leben. Lassen Sie bei der Erstellung Ihres Testaments Ihre Überlegungen durchaus auch davon beeinflussen, wo das Leben nicht nach Ihren Planungen oder der Statistik verläuft. Manche Änderung kann im Bedarfsfall nicht mehr möglich sein. Nicht immer kann der überlebende Ehegatte selbst ein neues Testament schreiben und manchmal sterben Kinder vor ihren Eltern. Freunde können sich entfremden, Vermögen entwickelt sich möglicherweise nicht wie geplant – evtl. ja sogar deutlich besser.
Jede meiner eigenen Erfahrungen aus „schief gegangenen“ Verfügungen/Testamenten in Nachlässen meiner Mandanten ist ein unschätzbarer Erfahrungsschatz für meine Arbeit in der Nachfolgeplanung geworden. Über diesen Erfahrungsschatz verfügen auch Steuerberater und Rechtsanwälte, die eine Vielzahl von Privatpersonen und Unternehmen sowohl im aktiven Leben als auch nach Todesfällen begleiten. Es ist anspruchsvoll, auch noch „um die 5. Ecke“ herumzudenken. Aber gute Berater tun dies und deshalb haben Sie als Mandant im Zweifel die Pflicht dies einzufordern. Frustrierend und richtig anstrengend wird es (auch für Ihre Berater), wenn im entscheidenden Moment eine Anpassung nicht mehr möglich ist, weil im Vorfeld zu geradlinig gedacht und geplant wurde.
Unsere Gastautorin Elke Fischer ist Bankfachwirtin, zertifizierte Testamentsvollstreckerin und Krisenbegleiterin. In der Nachfolgeplanung erarbeitet sie gemeinsam mit dem Mandanten die persönlichen und finanziellen Wurzeln, ermöglicht eine realistische Analyse der Gegenwart und das Erkennen der individuellen Notwendigkeit vorsorgender Regelungen. Als „Expertin für die Zwischenräume“ übernimmt sie Brückenfunktionen für Mandanten und eingebundene Berater. Diese tragfähige Grundlage ermöglicht allen Beteiligten eine strukturierte, ressourcensparende Umsetzung der persönlichen und unternehmerischen Ziele und Wünsche. Als Testamentsvollstreckerin und in der Nachlassbegleitung unterstützt sie Familien in allen bürokratischen und finanziellen Belangen und hilft zu einem positiven Blick auf die neue Zukunft.