Im ersten Teil dieser Beitragsreihe haben wir bereits die Besonderheiten des Sozialträgerregresses im Lichte der gegenseitigen Unterhaltspflicht beleuchtet.
In diesem Teil zeigen wir Ihnen die Grundsätze des diesem zugrundeliegenden Elternunterhaltes auf und erklären, wie eine sinnvolle Absicherung der Eltern und damit zumeist der Menschen, zu denen eine emotional enge Verbindung besteht, gelingen kann. Wir begleiten Sie auch hier und beraten Sie hinsichtlich der zu treffenden Entscheidungen.
Verwandte in gerader Linie, die direkt voneinander abstammen, sind gesetzlich verpflichtet, einander bei vorliegender Bedürftigkeit Unterhalt zu gewähren. Das ist aber nur der Fall, sofern der Verpflichtete selbst auch leistungsfähig ist. Denn nur bei Vorliegen des Verhältnisses zwischen Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit besteht eine Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern.
Mit neuer Gesetzeslage auch neue Entscheidungen erwartet
Seit dem Inkrafttreten des Angehörigenentlastungsgesetzes am 01.01.2020 können nur noch diejenigen Personen zum Elternunterhalt herangezogen werden, deren jährliches Gesamteinkommen den Betrag von EUR 100.000 übersteigt. Im ersten Teil dieser Reihe hatten wir darauf hingewiesen, dass das vorhandene und konkret einzusetzende Vermögen erst im zweiten Schritt, bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit, berücksichtigt wird. Auf dieser Grundlage ist zu erwarten, dass es in der Zukunft höchstrichterliche Entscheidungen hinsichtlich der Bewertung und Einbeziehung des Vermögens geben wird. Neben den Problemen der finanziellen Bewertung der Vermögensverhältnisse stellt sich in der Beratung wie im Rahmen von gerichtlichen Entscheidungen immer auch die Emotionalität als Schwierigkeit dar, mit der die entsprechenden Sachverhalte einhergehen: Neben den rechtlichen bzw. steuerlichen Gesichtspunkten sind es auch gerade diese Faktoren, die verständlicherweise aus der engen emotionalen Verbindung zu den eigenen Eltern herrühren. Hier ist neben der fachlichen Expertise gerade auch das Einfühlungsvermögen in die Belange der Parteien gefragt.
Die im Angehörigenentlastungsgesetz vorgesehene Einkommensgrenze führt auch zu ungewollten Verzerrungen und damit zu einem Ungleichgewicht in der Belastung. Während ein potentiell unterhaltspflichtiger, lediger Abkömmling mit einem jährlichen Gesamteinkommen von knapp unter EUR 100.000 (d.h. damit einem Monatsnettolohn bei Lohnsteuerklasse I von ca. EUR 4.500) und daneben hohem Vermögen nicht herangezogen wird, wird das Kind mit einem Gesamteinkommen EUR 100.001 ohne weiteres Vermögen herangezogen. Bei der vorgesehenen Einkommensgrenze handelt es sich demnach um eine Bewertung nach dem „Alles oder nichts“-Prinzip und um keine abgestufte Heranziehung. Diesem Kind steht laut Düsseldorfer Tabelle nur ein Mindestselbstbehalt in Höhe von EUR 2.000 zu.
Zur Erläuterung:
Weil der Abkömmling ledig ist, ist hinsichtlich der Einkommenssteuer die ungünstige Lohnsteuerklasse I anzuwenden. Aufgrund seiner Steuerbelastung verbleibt ein Nettolohn von ca. EUR 4.500. Während der andere Abkömmling nicht merklich mehr Geld verdient, liegt der Jahresverdienst über der neuen Einkommensgrenze. Dadurch, dass das Vermögen im ersten Schritt nicht einbezogen wird, hat der Abkömmling mit hohem Einkommen, der aber vielleicht ein geringes sonstiges Vermögen hat, einen merklichen Nachteil. Denn sein grundsätzlicher Selbstbehalt wird nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet.
Auch Schwiegerkinder mittelbar betroffen
Schwiegerkinder sind zwar grundsätzlich ihren Schwiegereltern gegenüber nicht unterhaltspflichtig und damit nicht direkt betroffen, können aber im zweiten Schritt bei einer Berechnung der Unterhaltshöhe mit einbezogen werden. Das hat folgenden Hintergrund: Bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes wird auf die gesamte, familiäre Einkommenssituation abgestellt. Als zu berechnendes „Einkommen“, um eine mögliche Ersatzpflicht zu ermitteln, gilt das Gesamteinkommen im Sinne des Einkommenssteuerrechts. Damit werden auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Wertpapierhandel berücksichtigt. Wichtige Ergänzung: Vorhandenes sonstiges Vermögen wird in diesem ersten Schritt (noch) nicht berücksichtigt. Es geht bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit tatsächlich „nur“ um die Einkünfte, die im Jahr erzielt werden.
Augen auf bei der Steuerklassenwahl
Ein weiteres Beispiel ist die ungleiche Behandlung bei den jeweiligen Steuerklassen. In der Gestaltungspraxis bietet es sich an, über die Wahl der Steuerklassen der Ehegatten nachzudenken. Die „traditionelle“ Steuerklassenwahl III/V, bei der der Mehrverdiener Steuerklasse III wählt, während der Hinzuverdiener Steuerklasse V wählt, ist unterhaltsrechtlich schädlich, wenn der Ehegatte mit dem höheren Nettoeinkommen unterhaltspflichtig wird. Im Einzelfall empfehlen wir dem Verpflichteten hier die Prüfung, ob der durch die Wahl der Steuerklasse IV/IV verursachte Liquiditätsnachteil nicht (wie meist) geringer ist, als von den Ehegatten angenommen. Im Regelfall kann dieser Nachteil auch ausgeglichen werden, weil bei der Jahresveranlagung die Versteuerung der Gesamteinkünfte nach der Splittingtabelle erfolgt. Es kommt in der Praxis häufig vor, dass die Sozialhilfeträger zum Beispiel eine Steuererstattung hälftig nach Köpfen auf die Eheleute, oder simpel nach dem Verhältnis der Einkünfte aufteilen. Dies sollte stets beanstandet werden, wenn dem unterhaltspflichtigen Ehegatten dadurch ein zu hohes Einkommen zugeordnet wird. Wir beraten Sie hier gerne hinsichtlich der Möglichkeiten.
Verteidigung gegen die Ansprüche der Sozialhilfeträger möglich
Bei einer potentiellen Verteidigung gegen die Elternunterhaltspflicht soll es nicht darum gehen, sich der Verpflichtung und dem gegenseitigen Fürsorgeverhältnis als Kind zu entziehen. Wesentlich ist, rechtlich ungerechte Belastungen auszugleichen und als Familie eigenbestimmt gemeinsam Lösungen entwickeln zu können. Auf diesem Weg begleiten wir Sie.
Der sogenannten Verwirkungseinrede durch Zeitablauf kommt bei Elternunterhalts-ansprüchen eine besondere Bedeutung zu. Eine Verwirkung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kommt in Betracht, wenn die Träger den Anspruch über längere Zeit nicht geltend machen (sogenanntes „Zeitmoment“), obwohl sie hierzu in der Lage gewesen wären und das potentiell unterhaltsverpflichtete Kind sich darauf eingerichtet hat, auch in Zukunft nicht mehr herangezogen zu werden (sogenanntes „Umstandsmoment“). Vielfach ist es in der Praxis so, dass die Träger nicht in der Lage sind, Unterhaltsansprüche innerhalb eines Jahres geltend zu machen.
Bei der Planung des Elternunterhalts oder wenn eine mögliche Unterhaltspflicht droht, muss die Prüfung stets von Experten anhand des Einzelfalls beurteilt werden. Wir beraten Sie frühzeitig zu allen Themen im Zusammenhang mit Elternunterhalt, Vermögensstrukturen und Gestaltungsmöglichkeiten.