Antwort:
Auch wenn das Gesetz vom Grundsatz der gegenseitigen Unterhaltspflicht ausgeht, gibt es Fälle, in denen eine Unterhaltspflicht ein Störgefühl auslöst, etwa weil die Situation aus bestimmten tatsächlichen Gründen oder aus einer historischen Entwicklung der jeweiligen Beziehung heraus als ungerecht empfunden wird. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Kontakt mit den Eltern vor längerer Zeit abgebrochen wurde, oder das Verhältnis erheblich und nachhaltig gestört ist.
Grundsätzlich kann der Unterhaltspflichtige nach §1611 des Bürgerliches Gesetzbuchs die Unterhaltszahlung zumindest teilweise verweigern, wenn eine Zahlung als unbillig, mit anderen Worten unangemessen und ungerecht, erscheint. Ein vollständiger Ausschluss ist ebenfalls möglich, wenn es sich um eine sogenannte grobe Unbilligkeit handelt.
Dazu kennt das Gesetz drei Fallgruppen:
- Eine grobe Unbilligkeit wegen „sittlichen Verschuldens“: Das sogenannte „sittliche Verschulden“ liegt im Wesentlichen dann vor, wenn der Elternteil, der nun unterhaltsberechtigt ist, seine Bedürftigkeit durch Spiel-, Trunk- oder Drogensucht selbst verursacht hat. Dies allerdings nur dann, wenn die Sucht eigenverantwortlich verschuldet ist und eine Suchtbehandlung abgelehnt wurde. Die Sucht an sich wird seitens der Rechtsprechung als unverschuldete Krankheit angesehen. Dies schlägt sich in unserer Beratungspraxis dergestalt nieder, als dass gerade in diesen Fällen der Suchterkrankungen zumindest Überlegungen dahingehend getroffen werden sollten, ob nicht eine gezielte und kontrollierte Unterstützung durch eine feste Struktur wie eine Familienstiftung dem jeweiligen Mitglied und der restlichen Familie mehr Nutzen bringt, als ein vollständiger Ausschluss aus der gesamten Familie und ein „Sich-selbst-Überlassen“.
- Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht: Eine Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht als Elternteil kann im späteren Verlauf dazu führen, dass bei einer späteren Pflegebedürftigkeit kein Elternunterhalt vom Kind verlangt werden kann.
- Schwere Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen: Von einer schweren Verfehlung wird nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig aber nur ausgegangen, wenn es sich um eine tiefgreifende Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Unterhaltspflichtigen handelt. (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZB 607/12). Ein reiner Kontaktabbruch reicht indes nicht aus, um eine schwere Verfehlung zu begründen. Vielmehr muss dazu ein „grober Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme“ vorliegen. Bei einem ausdrücklich erklärten Kontaktabbruch und der daraus resultierenden emotionalen Kälte gegenüber einem minderjährigen Kind wurde die grobe Unbilligkeit bereits bejaht (Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 04.01.2017 – 4 UF 166/15). Öfter anzutreffen sind hier Fälle von Bedrohung, oder körperlicher Gewalt.
Erfahrungsgemäß sind die Gerichte bei der Annahme von Härtefällen zurückhaltend und schließen einen Unterhaltsanspruch nur bei extremen Fällen vollständig aus. Ein Nachweis fällt oft schwer, wenn die Vorkommnisse schon viele Jahre zurückliegen. Eine rein subjektiv empfundene Ungerechtigkeit genügt aber regelmäßig nicht, um den Anspruch auszuschließen. Vielmehr müssen objektiv belegbare Umstände vorliegen, auf die ein Ausschluss gestützt werden kann. Wir unterstützen Sie planerisch in jeglichen Familiensituationen.