Grundlagen des Kindesunterhalts – juristische Überraschungen vermeiden

Im vierten und letzten Teil des Monatsthemas Unterhalt beschäftigen wir uns mit dem Thema des Kindesunterhaltes. In den vorherigen Teilen haben wir bereits die Besonderheiten des Eltern- und Ehegattenunterhaltes beleuchtet. In diesem Teil soll es wieder um die gegenseitige Unterhaltspflicht von Verwandten ersten Grades gehen; diesmal um Eltern, die ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sind.


Der Kindesunterhalt knüpft an die geradlinige Verwandtschaft an, also daran, dass das Kind von dem in Anspruch genommenen Elternteil abstammt, §1601 Bürgerliches Gesetzbuch. Kindesunterhalt fällt grundsätzlich solange an, wie das Kind bedürftig ist. Das gilt auch für volljährige Kinder in der Erstausbildung. Bedürftigkeit ist dabei das sogenannte Unvermögen, sich selbst angemessen zu unterhalten, § 1602 Bürgerliches Gesetzbuch. Das ist in der Situation der Fall, wenn das Kind seinen Lebensbedarf weder aus zumutbarer Arbeit noch aus seinen Vermögenseinkünften noch aus der zumutbaren Verwertung seines Vermögens hinreichend bestreiten kann. Seit 2008 hat der Unterhalt für Minderjährige Kinder nunmehr Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen. Wie hoch der Anspruch im Einzelfall tatsächlich ausfällt, richtig sich nur mittelbar nach gesetzlichen Vorschriften. Relevanter sind die Leitlinien der Familiengerichte, die konkrete Unterhaltssumme wird mit der sogenannten Düsseldorfer Tabelle als Ausfluss aus diesen Leitlinien bestimmt. Die Tabelle wird einmal jährlich aktualisiert. Weitere Ergänzung erfährt die Tabelle dann noch durch lokale Bestimmungen der jeweiligen Oberlandesgerichte. Wenn die Eltern des Kindes sich nun trennen, so besteht die gemeinsame Sorge für das Kind fort, egal, ob sie verheiratet sind, oder nicht. Auch im Fall der Scheidung wird über die Änderung der elterlichen Sorge nur entschieden, wenn ein Elternteil dies beantragt.

 

Wenn eine Trennung oder Scheidung tatsächlich droht, haben Eltern einen Anspruch auf Beratung durch das Jugendamt oder durch freie Träger der Jugendhilfe, bei der gemeinsam über Lösungen zur guten Versorgung der Kinder gesprochen werden kann. 

 

Berechnung des Unterhalts 

 

Einbezogen wird das Jahresbruttoeinkommen einschließlich Sonderzahlung, wie Weihnachts- und Urlaubsgeld und auch Gewinnbeteiligungen. Allerdings bleibt ein Selbstbehalt, der nicht zum Unterhalt herangezogen werden darf. In diesem Zusammenhang hat sich in unserer Beratungspraxis die Wichtigkeit der jeweiligen lokalen Bestimmungen im Oberlandesgerichtsbezirk gezeigt. Dadurch lassen sich einige unterhaltsrechtliche Fragestellungen bereits im Vorfeld klären.

 

Bei der Unterhaltspflicht ist zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern zu unterscheiden. Der wesentliche Unterschied ist, dass minderjährige Kinder regelmäßig noch nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Das führt dazu, dass minderjährige Kinder schon vom Grundsatz her unterhaltsberechtigt sind. 

 

Berücksichtigung der individuellen Situation 

 

Lebt das Kind bei seinen Eltern, wird der Unterhaltspflicht bereits durch Gewährung von Kost und Logis genüge getan. Das ist der sogenannte Naturalunterhalt, der während des Zusammenlebens der Eltern von beiden Elternteilen geleistet wird. Nach Trennung und Scheidung der Eltern ist es meist so, dass ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht durch Naturalunterhalt nachkommt, der nicht betreuende Elternteil zahlt dann Kindesunterhalt, der als Barunterhalt (also in Geldform) zu leisten ist. Das wird in der Praxis „Residenzmodell“ genannt. In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Elternteil, der zum Barunterhalt verpflichtet werden soll, seine Vermögenssituation nicht offen legt. Grundsätzlich muss er alle zwei Jahre auf Aufforderung sein vollständiges laufendes Einkommen und das Vermögen offenlegen. Für den Fall, dass dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird, kann im gerichtlichen Verfahren auch beim Finanzamt angefragt werden. 

 

Bei volljährigen Kindern ist zu unterscheiden, ob sie noch im Haushalt der Eltern leben oder bereits einen eigenen Hausstand haben. Das volljährige Kind ist grundsätzlich dazu verpflichtet, für sich selbst zu sorgen, soweit es sich nicht in der Erstausbildung (Ausbildung oder Studium) befindet, oder nicht dazu in der Lage ist, sich selbst zu versorgen. Für diesen Fall sieht das Gesetz in §1612a Bürgerliches Gesetzbuch einen Mindestunterhalt vor, der aus dem sogenannten sächlichen Existenzminimum des Kindes abgeleitet wird. Gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern sowie volljährigen unverheirateten Kindern, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, im Haushalt zumindest eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, besteht im Ergebnis nach § 1603 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Diese hat insbesondere zur Folge, dass sich der barunterhaltspflichtige Elternteil nachdrücklich um eine zumutbare Erwerbstätigkeit bemühen und alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für seinen und der Kinder Unterhalt verwenden muss. 

 

Die Höhe des Selbstbehalts ist in diesem Fall gesetzlich nicht geregelt, sondern im Einzelfall zu bestimmen. Orientierungshilfe geben auch hier wieder die Düsseldorfer Tabelle sowie die von den Familiensenaten der Oberlandesgerichte herausgegebenen Leitlinien.

 

Unterhalt bei volljährigen Kindern in Erstausbildung

 

Es gibt entgegen einer weit verbreiteten Ansicht keine feste Altersgrenze, ab der ein Elternteil seinem Kind keinen Unterhalt mehr schuldet. Vielmehr ist es so, dass die Eltern Unterhalt bis zum Abschluss der ersten angemessenen Berufsausbildung zahlen müssen. Unter Berufsausbildung ist im Übrigen ein Studium ebenso zu fassen, wie eine betriebliche Ausbildung. Anders gestaltet sich dies, wenn das Kind nach Beenden der Schulausbildung keine Ausbildung aufnimmt, oder eine laufende Ausbildung ohne Zustimmung der Eltern abbricht.

 

Teil des Unterhalts ist es, dass die Eltern ihrem Kind eine Schul- oder Berufsausbildung finanzieren, die ihren Neigungen, Begabungen und Leistungen entspricht und geeignet ist, dem Kind eine wirtschaftliche Selbstständigkeit zu vermitteln. Dazu gehört andererseits auch, dass die Ausbildung ohne vermeidbare Verzögerung abgeschlossen wird.

 

Sonderfall: Mehraktige Erstausbildung 

 

Es kommt häufig vor, dass volljährige Kinder nicht nur eine Berufsausbildung absolvieren, sondern nachgelagert noch einen weiteren Abschluss anstreben. Dann ist im Einzelfall abzugrenzen, ob es sich um eine mehraktige einheitliche Erstausbildung handelt, oder um eine Weiterbildung (sogenannte Zweitausbildung). Das hat nicht nur unterhaltsrechtliche, sondern auch steuerrechtliche Auswirkungen auf einen möglichen Werbungskostenabzug.

 

Die Rechtsprechung hat für die Annahme einer mehraktigen Erstausbildung die Voraussetzung formuliert, dass es einen notwendigen sachlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten geben muss (so auch der Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.201.- III R 26/18 – BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765). Dementsprechend sei eine einheitliche Erstausbildung dann nicht mehr anzunehmen, „wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen“. Mehrere Fälle sind dabei schon vom Bundesfinanzhof entschieden worden, auszugsweise seien hier nur genannt:

  • Ausbildung zur Steuerfachangestellten und anschließendes Teilzeit-Studium Steuerrecht (BFH vom 17.01.2019 – III R 35/18 (NV))
  • Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und anschließende Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt (BFH vom 20.02.2019 – III R 44/18 (NV))
  • Abschluss duales Studium im Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik im November 2015; Berufstätigkeit mit wöchentlich 34 Stunden; ab Sommersemester 2016 Studiengang Finance & Accounting (in Teilzeit) zum Erwerb des Master of Science (BFH vom 22.05.2019 – III R 69/18 (NV)).
  • Rechtsreferendariat im Anschluss an ein juristisches Studium (BFH, Beschluss vom 10.02.2000, VI B 108/99, BMF-Schreiben vom 08.02.2016, Tz. 18).
  • Masterstudiengang, der zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist (BFH, Urteil vom 03.09.2015 – VI R 9/15, BStBl 2016 II S. 166).

Der Kindesunterhalt gestaltet sich in Einzelfragen tückisch. Es gilt, hier juristische Überraschungen zu vermeiden. Wir beraten Sie bereits im Vorfeld, damit Sie gemeinsam mit Ihrer Familie gute Lösungen zur Versorgung Ihrer Kinder finden können.