Stiftungen sind ihrem Wesen und der Errichtung nach nicht neu, dennoch bringen aktuelle Entwicklungen frischen Wind in die mittlerweile langwierigen Diskussionen um Verbesserungen des Stiftungsrechts.
Hintergrund der Stiftungsrechtsreform
Bislang sind rechtliche Vorgaben für Stiftungserrichtungen und die fortlaufende Stiftungsarbeit rar gesät: Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als Bundesgesetz finden sich lediglich in den §§ 80 bis 89 rudimentäre Regelungen, die darüber hinaus hinsichtlich der organschaftlichen Bestimmungen auf die entsprechende Anwendung des Vereinsrechts verweisen. Darüber hinaus regeln bislang die einzelnen Länder durch landesspezifische Gesetze Einzelheiten wie z.B. Fragen zur Stiftungsaufsicht, Umgang mit dem Stiftungsvermögen und Grundsätze bei Satzungsänderungsbefugnissen.
Dass dies in der Praxis zu erheblichen Unterschieden in dem Prozess der Stiftungserrichtung und dem Verhältnis zu den verschiedenen Stiftungsbehörden der Länder führt, entspricht seit Jahren bereits unserer Beratererfahrung. Diese Kritik bezüglich der Uneinheitlichkeit der rechtlichen und tatsächlichen Vergleichbarkeit äußerten in der Vergangenheit ebenfalls Vertreter der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht sowie des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Vermehrt wurde die Forderung nach einem einheitlichen Stiftungsrecht laut; es dürfe keinen Unterschied mehr machen, ob es sich beispielsweise um eine bayerische oder eine nordrhein-westfälische Stiftung handele.
Spätestens mit der Einführung des neuen Transparenzregisters und der damit ab dem 1. Oktober 2017 einhergehenden Verpflichtungen für rechtsfähige Stiftungen, sich dort einzutragen, konnte die Notwendigkeit eines Regelungsbedürfnisses nicht mehr kleingeredet werden.
Es herrscht mittlerweile der Konsens, dass das Transparenzregister für Stiftungen in großen Teilen Unklarheiten statt dem gewünschten Licht ins Dunkle bringt und mehr Fragen zur Eintragung aufwirft, als es beantwortet. Zudem erfüllt das Transparenzregister mit der neuen Eintragungsverpflichtung nach wie vor keine Publizitätsverpflichtung: Eine dortige Eintragung entfaltet keine z.B. dem Handelsregistereintrag entsprechende Rechtswirkung. Zum Nachweis ihrer Legitimation müssen Mitglieder des Stiftungsvorstands als wichtigstes und mit der Geschäftsführung betrautes Stiftungsorgan bislang gegenüber Geschäftspartnern eine Vertretungsbescheinigung nachweisen. Diese muss nicht nur bei der Stiftungsbehörde beantragt werden, sondern bei jedem neuen Rechtsgeschäft in der aktuellen Fassung vorliegen. Je nach Umfang der Stiftungstätigkeit bedeutet diese regelmäßige Neubeantragung einen ärgerlichen Kosten- sowie einen nicht unerheblichen Zeitfaktor.
Referentenentwurf als lang erhoffte Neuerung
Zu begrüßen ist es daher, dass das Bundesjustizministerium aktuell am 28.09.2020 seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts („BGB-RE“) veröffentlicht hat. Dieser Entwurf basiert in großen Teilen auf dem Diskussionsentwurf der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht und verspricht Vereinheitlichung und Klarheit auf dem Stiftungsmarkt.
Die prägnantesten Regelungen dieses Entwurfes bereits an dieser Stelle kurz vorgestellt, werden wir uns - die jeweiligen Neuerungen und Diskussionen begleitend - fortlaufend mit den Einzelheiten auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang Informationen aufarbeiten.
Was ist neu?
Als wesentlichste Neuerung – und teilweise entgegen unserer Einschätzung als „überraschend“ bezeichnet – erscheint zunächst die Einführung eines bundesweiten Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung. Hierin sollen nach dem Referentenentwurf wesentliche Informationen über die jeweilige Stiftung eingetragen werden, beispielhaft ihr Name, Sitz, das Datum des Stiftungsgeschäfts und der Anerkennung, Namen, Geburtsdaten und Anschriften der Vorstandsmitglieder oder Maßnahmen wie Satzungsänderungen oder Beendigung der Stiftung. Interessant für die Praxis: Im Gegensatz zum Transparenzregister sind im Entwurf für das Stiftungsregister keine Eintragungen der wirtschaftlich Berechtigten und damit der Begünstigten vorgesehen. Hier entfällt also voraussichtlich ein Punkt, der aktuell beim Transparenzregister nach dem Geldwäschegesetz (GwG) zu großen Unsicherheiten und Diskussionen führt. Ist dort nicht umfassend geklärt, wie streng Aktualisierungen bei z.B. nachkommenden neugeborenen Abkömmlingen als Begünstigungsfähige nachzukommen ist oder inwieweit bestimmte Gruppenbezeichnungen zur Konkretisierung der zukünftigen Abkömmlinge genügen, stellt sich diese Frage beim Stiftungsregister nicht. Zu begrüßen ist ein solches Register, wenn dadurch die Notwendigkeit der fortwährenden Einholung von Vertretungsbescheinigungen bei den Stiftungsbehörden entfällt. Positiver Nebeneffekt: Dadurch entfaltet die Stiftungstätigkeit bundesweit eine gewisse Gleichbehandlung und Einheitlichkeit – bislang ergeben sich durch die teilweise enorm unterschiedlichen Bearbeitungszeiten von Anfragen bei den Landesstiftungsbehörden länderspezifische Unterschiede.
Diese Länderspezifikationen lassen sich beim direkten Vergleich der Landesstiftungsgesetze genau nachvollziehen. So lassen einige Stiftungsgesetze eine Änderung der Stiftungssatzung erst dann zu, wenn eine „wesentliche Änderung der Verhältnisse“ vorliegt. Andere wiederum gestatten eine Änderung schon dann, wenn dies dem Stifterwillen entspricht, ohne dass sich eine Veränderung der äußeren Verhältnisse ergeben müsste. In der Praxis ergab sich daher bislang das Erfordernis der strategischen Planung einer Stiftungserrichtung, die je nach Standort unterschiedliche Abstimmungserfordernisse oder gar eine völlig andere Schwelle der Aufsichts- und Eingriffsbefugnis des entsprechenden Landes vorsieht. Die Wahl des Stiftungssitzes würde ohne eine Stiftungsreform strenggenommen zu einer Verzerrung der bundesweiten Stiftungsgründungen führen und eine lokale Bündelung bei einzelnen – liberaleren – Stiftungsstandorten nach sich ziehen.
Auch vor diesem Hintergrund fällt im veröffentlichten Referentenentwurf besonders positiv auf, dass zukünftig Streitpunkte aus dem Weg geräumt werden sollen:
Neben dem Stiftungsregister lassen sich dort nämlich auch bundesweit einheitliche Regelungen zur Organhaftung, zu Satzungsänderungen und zum Umgang mit zu erhaltendem Stiftungsvermögen finden. Was die bevorstehenden Änderungen eint, ist die grundsätzliche Bedeutung des Stifterwillens, der durch die Verschriftlichung den Grundstein für sämtliche Stiftungsarbeit legt. So findet sich im Referentenentwurf eine Passage, nach der der Gewinn bei einer Vermögensveräußerung, also bspw. im Zusammenhang mit einem gewinnbringenden Immobilienverkauf, grundsätzlich dem zu erhaltenden und nur in Ausnahmefällen antastbaren Grundstockvermögen zuzuordnen sein soll. Aber: Dies kann der Stifter durch anderslautende Stiftungssatzung anders vorsehen. An anderer Stelle im Entwurf heißt es, dass eine Satzungsänderung umso strengeren Voraussetzungen unterliegt, je tiefgreifender sie in das Grundgerüst der Stiftung selbst eingreift. Wiederum aber: Hier kann der Stifter ebenfalls in der ersten Satzung, unter der Bezeichnung „Errichtungssatzung“ nun im Referentenentwurf etabliert, abweichende Bestimmungen einfügen.
Errichtungssatzung weiterhin als Grundstein
Die vorgesehene und nun bevorstehende Stiftungsrechtsreform bedeutet ein Umdenken für viele Stifter und bestehende Stiftungen – und zwar hauptsächlich dann, wenn ein grundlegender Gedanke der Reform nicht bereits beachtet wurde: Grundlage einer jeden Stiftung ist aktuell wie zukünftig eine Satzung, die den Stifterwillen erfolgreich und detailliert widerspiegelt – was kein pauschales Satzungsmuster liefern kann. Um die zukünftigen einheitlichen Regelungen zu Familienstiftungen wie gemeinnützigen Stiftungen abzuändern, braucht es daher nach wie vor einer gründlichen Ausarbeitung der Satzung. Insbesondere gilt dies für die Fälle, in denen von den nun vorgesehenen gesetzlichen Grundsätzen abgewichen werden soll.
Inwieweit die zu begrüßende Vereinheitlichung der gesetzlichen Vorgaben alle offenen Fragen beantworten wird, bleibt hingegen abzuwarten: So gibt der Referentenentwurf zum Beispiel vor, dass der Stifter zwar „Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend bestimmt“ in der Satzung verankern muss, um vom Gesetz abzuweichen. Inwieweit diese Bestimmung jedoch im Einzelnen ausgestaltet werden muss, um nicht als „Blankoermächtigung“ unzulässig zu sein, sieht auch der Referentenentwurf nicht vor. Entsprechend unserer regelmäßigen Beratung von Stiftungen und Stiftern wird hier umso wichtiger sein, entsprechende Sachverhalte und Wünsche der Stifter vorab so detailliert zu erfassen, dass sie den Ergebnissen der Stiftungsrechtsreform konform umgesetzt werden können.
Fazit Stiftungsrechtsreform
Zusammenfassend bewirkt die Stiftungsreform eine lange schon überfällige Vereinheitlichung der gesetzlichen Grundlagen für die Stiftungsarbeit. Viele rechtsgeschäftliche Handlungen von und mit Stiftungen werden zukünftig effizienter durchgeführt werden können; dem Stifterwillen kommt dem Grundsatz der Stifterfreiheit entsprechend eine weiterhin grundlegende Bedeutung zu.
Die Herausforderung für bestehende Stiftungen wie potentielle Stifter ist es nun, hinsichtlich der geplanten gesetzlichen Änderungen zu antizipieren und sich nun erst recht auf eine gewissenhafte, rechtssichere und auf die eigene Lebenssituation passende Satzungserrichtung zu besinnen. Damit dies erleichtert wird, werden wir die einzelnen Aspekte der Stiftungsreform an dieser Stelle laufend und für Sie begleitend erläutern.
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