Antwort:
Bei dem Ort der „Geschäftsleitung“ handelt es sich um einen rein steuerlichen Begriff für den Verwaltungssitz. Die Geschäftsleitung befindet sich an dem Ort, von dem aus die Geschäfte der Stiftung tatsächlich geführt werden (§ 10 AO). Gerade bei neu gegründeten unternehmensverbundenen Stiftungen handelt es sich bei dem Ort der Geschäftsleitung meist um den Privatwohnsitz des Vorstands oder den Verwaltungssitz einer stiftungsverbundenen Gesellschaft.
Der „Sitz“ befindet sich aus zivil- und steuerrechtlicher Sicht an dem Ort, der in der Satzung festgelegt wird (im Zivilrecht deshalb auch als „Satzungssitz“ bezeichnet) (§§ 81 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB, 11 AO).
Geschäftsleitung und Sitz sind maßgebend für die unbeschränkte Steuerpflicht und die Exit-Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG), die Ansässigkeit nach den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Erbschaftsteuer-/Schenkungsteuerpflicht, die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts und die Anwendung des Außensteuergesetzes (AStG) entscheidend.
Körperschaftsteuerpflicht und Exit-Besteuerung
Eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) bzw. eine stiftungsverbundene Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) oder Genossenschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG) unterliegt in Deutschland mit ihrem gesamten Welteinkommen der Besteuerung, wenn sich ihre Geschäftsleitung oder zumindest ihr Sitz im Inland befindet. Zivilrechtlich besteht für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts die Möglichkeit, ihre Verwaltung vom Ausland aus zu führen. Im Zuge der Stiftungsrechtsreform ist jedoch die Einführung des § 83a BGB n.F. geplant, welcher die Allokation des Verwaltungssitzes im Inland vorschreibt.
Scheidet die Stiftung und/oder eine stiftungsverbundene Gesellschaft infolge einer Verlegung von Geschäftsleitung und/oder Sitz ins Ausland aus der unbeschränkten deutschen Körperschaftsteuerpflicht aus, sieht der § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG die Fiktion einer steuerpflichtigen Liquidation vor („Exit-Besteuerung“). Gleiches gilt, wenn die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Inland zwar aufrecht erhalten bleibt, jedoch die Ansässigkeit nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von Deutschland in den anderen Vertragsstaat verlagert wird (§ 12 Abs. 3 S. 2 KStG). Innerhalb des EU-/EWR-Gebiets können Sie diese Folgen über die EU-/EWR-Klausel des § 12 KStG abwenden.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
Befindet sich der Ort ihrer Geschäftsleitung im Ausland (zum Beispiel Salzburg) und der Sitz in Deutschland (zum Beispiel München), unterliegt eine Stiftung - vorbehaltlich der Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) - mit ihren weltweit erzielten Einkünften in Deutschland der Körperschaftsteuer. Bei Vorliegen eines DBA ist die unbeschränkte Steuerpflicht in zumindest einem der beiden Vertragsstaaten Grundvoraussetzung dafür, dass die Stiftung in einem der beiden Vertragsstaaten „ansässig“ ist. Ohne Ansässigkeit in zumindest einem von zwei DBA-Staaten wird der Stiftung der Abkommensschutz verwehrt. Ist die Stiftung nach den nationalen Gesetzen in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt Steuerpflichtig („Doppelansässigkeit“), ist die sog. „Tie-Breaker-Rule“ ausschlaggebend für die Entscheidung über den Ansässigkeitsstaat. Aktuell sieht die Tie-Breaker-Rule in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen mit deutscher Beteiligung vor, dass der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung für die Entscheidung über den Ansässigkeitsstaat maßgebend ist. Das OECD-Musterabkommen 2017 sieht in Artikel 4 Abs. 3 hingegen vor, dass beide Vertragsstaaten im Fall einer Doppelansässigkeit im Zuge eines Verständigungsverfahrens über die Zuweisung der Ansässigkeit entscheiden sollen. Es bleibt derzeit abzuwarten, inwieweit diese Neuregelung in den nächsten Jahren in den Doppelbesteuerungsabkommen mit deutscher Beteiligung umgesetzt wird.
Erbschaft- und Schenkungsteuer
Bei der Gründung einer Stiftung ist der Ort der Geschäftsleitung oder des Sitzes für die „Inländereigenschaft“ nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchstabe d) ErbStG. Als Inländerin und Erwerberin unterliegt die Stiftung mit ihrem weltweiten Vermögenserwerb auch dann in Deutschland der Erbschaft- und Schenkungsteuer, wenn sich Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt des Stifters jeweils im Ausland befinden. Bei internationalen Konstellationen droht eine Doppelbesteuerung, die entweder bilateral über ein Doppelbesteuerungsabkommen oder unilateral über die Regelung des § 21 ErbStG (Anrechnung der ausländischen Steuer) abgefedert werden kann.
Erfüllen weder Stifter noch Stiftung die „Inländereigenschaft“, besteht noch das Risiko einer beschränkten Steuerpflicht in Deutschland gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, wenn sog. „Inlandsvermögen“ (§ 121 BewG) an die Stiftung übertragen wird. Auch hier spielt der Ort von Geschäftsleitung und Sitz eine Rolle, da es sich zum Beispiel bei einer Beteiligung an einer GmbH mit Geschäftsleitung oder Sitz in Deutschland um „Inlandsvermögen“ handelt. Weitere Formen von Inlandsvermögen sind in Deutschland belegene Immobilien.
Im Hinblick auf die Erbersatzsteuer einer unternehmensverbundenen Familienstiftung sind der Ort der Geschäftsleitung und/oder des Sitzes von Bedeutung, da ausschließlich Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz im Inland der deutschen Erbersatzsteuer unterliegen (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Örtliche Zuständigkeit des Finanzamts
Örtlich zuständig für die Besteuerung einer Stiftung ist das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (§ 20 Abs. 1 AO). Befindet sich die tatsächliche Geschäftsleitung im Ausland, der Ort des Sitzes laut Satzung hingegen in Deutschland, ist stattdessen der Ort des Sitzes entscheidend (§ 20 Abs. 2 AO).
Außensteuergesetz
War der Stifter innerhalb der letzten fünf Jahre zumindest zu 1% an einer Kapitalgesellschaft beteiligt und hält er diese Beteiligung in seinem Privatvermögen, wird die unentgeltliche Übertragung dieser Beteiligung an eine Stiftung mit Geschäftsleitung und Sitz im Ausland von dem Finanzamt als fiktiver Verkauf gewertet (§ 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG). Hintergrund für diese „Wegzugsbesteuerung“ ist die Zuweisung des Besteuerungsrechts bei internationalen Sachverhalten. Bei einem künftigen Verkauf der Beteiligung würde das Besteuerungsrecht dem ausländischen Ansässigkeitsstaat der Stiftung zugewiesen, während Deutschland trotz Wertschöpfung der Kapitalgesellschaft im Inland leer ausgehen würde. Aktuell sieht der § 6 Abs. 5 AStG eine sog. EU-/EWR-Klausel vor, über die Vermögensübertragungen an Stiftungen im EU-/EWR-Gebiet von der Wegzugsbesteuerung verschont werden können. Aktuell plant der Gesetzgeber jedoch im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie, die EU-/EWR-Klausel zu streichen. In diesem Fall soll ein Wahlrecht bestehen, die Steuer entweder sofort oder auf Antrag in sieben gleichen Jahresraten zu bezahlen (Referentenentwurf des BMF v. 24.03.2020, S. 18 bis 20).
Im Zuge der laufenden Besteuerung spielen Geschäftsleitung und Sitz vor allem nach § 15 AStG eine Rolle, wonach dem Stifter oder alternativ den übrigen Begünstigten die Einkünfte der Stiftung zugerechnet werden sollen. Auch hier können Sie bei Stiftungen im EU-/EWR-Ausland eine Klausel nutzen, um diese steuerlichen Folgen abzuwenden (§ 15 Abs. 6 AStG). Anders als bei dem § 6 AStG ist im Zuge der Umsetzung der ATAD geplant, diese EU-/EWR-Klausel aufrechtzuerhalten.