von Dr. Andreas Blomenkamp
Der Generationswechsel in einem Familienunternehmen, der Übergang des Unternehmens oder von Vermögenswerten auf die nächste Generation, ist für das Unternehmen, für die Familie und auch für jeden einzelnen ein zentrales Ereignis. Ob von langer Hand geplant oder aus einem Notfall ganz überraschend, er kommt in der Regel nur einmal in jeder Generation vor. Erfahrungen als Unternehmer, der seine Nachfolge umsetzen will, haben die wenigsten. Vielfach prägen die Erinnerungen an den eignen Beginn als Nachfolger oder Gründer des Unternehmens den Blick auf den bevorstehenden Generationswechsel. Der nachfolgenden Generation fehlt es naturgemäß ebenso an Erfahrungen mit diesem Prozess und auch für die Familie ist es in der jeweiligen Konstellation eine Premiere.
Eine Premiere mit Herausforderungen
Doch es sind nicht nur fehlende Erfahrungen, die den Generationsübergang zu einer besonderen Herausforderung werden lassen. Wenn auch die enge Verknüpfung der familiären mit der unternehmerischen Sphäre in einem Familienunternehmen ständig gegeben ist, wird diese Situation im Prozess des Generationenübergangs zu einem besonderen Faktor und zum möglichen Ausgangspunkt tiefgreifender Konflikte.
Um zu erkennen, wie nahezu unvermeidbar Konflikte in diesem Zusammenhang sind, ist es hilfreich, sich deren Ursache zu vergegenwärtigen. Ein Konflikt entsteht immer dann, wenn nicht miteinander vereinbare Ziele, Interessen oder Werte aufeinandertreffen. Dieser Moment, in dem die unterschiedlichen Werte, Vorstellungen und Ziele offenbar werden und zugleich erkennbar wird, dass es hier scheinbar keine Lösung geben kann, die alle Beteiligten gleichermaßen zufrieden stellt, prägt unseren Blick auf Konflikte. Jeder entwickelt daraus unterschiedliche Strategien zur Lösung oder auch zur Verdrängung erkannter oder erwarteter Konflikte. Es werden Argumente pro und contra einzelner Optionen gesammelt, es werden Fachleute hinzugezogen, die die Alternativen gegenüber stellen und Lösungen empfehlen sollen. Es werden vollendete Tatsachen geschaffen, ohne sie wirklich mit den beteiligten Parteien vorher zu besprechen.
Konfliktursachen identifizieren
Ob es den Zeitpunkt des Generationenüberganges betrifft, ob die Aufteilung des Vermögens unter den Kindern, die Festlegung zukünftiger Strukturen im Unternehmen, all dies geschieht vielfach ohne den Blick auf die eigenen Interessen und Bedürfnisse in diesem Zusammenhang zu schärfen oder sich bewusst mit den Interessen und Bedürfnissen der anderen Beteiligten zu beschäftigen. Oft ist nicht einmal geklärt, wer zu dem Kreis der Beteiligten wirklich gehört und in welcher Rolle sie mitwirken.
Spezifische Konfliktsituationen im Familienunternehmen
Die Komplexität dieser Fragestellung nach den Beteiligten und ihren jeweiligen Rollen in der Nachfolge resultiert nicht zuletzt aus der Überschneidung unterschiedlicher Ebenen und unterschiedlicher Rollen. Da hier gleichermaßen die Ursache, aber auch die Lösung für Konflikte bei einem Generationenübergang gefunden werden kann, lohnt sich der Blick auf diese Konstellation:
Hier treten drei Ebenen ins Blickfeld: die Familie mit allen nahen Angehörigen, der Gesellschafterkreis als Eigentümer des Unternehmens und die Geschäftsführung innerhalb des Unternehmens. Selbst wenn auf der unternehmerischen Seite die Situation relativ einfach erscheint, z.B. der Vater als alleineiniger geschäftsführender Gesellschafter dort mehrere Rollen auf sich vereint, treten aber mit der Familie auch andere Akteure in Erscheinung. Sei es die in diesem Bespiel die Ehefrau und die Kinder. In welcher Rolle trifft jetzt der Unternehmer die Entscheidung über seine Nachfolge? Als Gesellschafter, als Geschäftsführer oder als Familienmitglied und Vater? Welche Interessen hat er in der jeweiligen Rolle? Und stehen diese möglicherweise im Widerspruch zu seinen eigenen Interessen in den anderen Rollen. Welche Interessen prägen die Überlegungen der anderen Familienmitglieder?
Wenn es selbst in dieser relativ einfachen Ausgangslage schwerfällt sich zu orientieren, die unterschiedlichen Rollen zu trennen und die Interessen der Familie zu erkunden, sind Konflikte möglich. Jede zusätzliche Person, jede zusätzliche Rolle, sei es weitere Gesellschafter, mehrere Geschäftsführer oder weitere Familienmitglieder erhöht die Vielfalt an Interessen, an unterschiedlichen Werten und Rollen und damit auch an Konfliktpotenzialen.