Family Governance und Stiftungen – Artikel 1: Grundlagen und Bedeutung der Family Governance in Stiftungs-Strukturen

Family Governance für Familienunternehmen mit Stiftungsstruktur

In Familienunternehmen stellt sich oft die Herausforderung, über Generationen hinweg eine nachhaltige Unternehmensführung zu gewährleisten, ohne dass familiäre Konflikte die wirtschaftliche Stabilität gefährden. Family Governance dient dabei als Steuerungsmechanismus, der Regeln, Werte und Entscheidungsprozesse innerhalb der Unternehmerfamilie strukturiert. 

 

Besonders in Stiftungsstrukturen spielt sie eine zentrale Rolle, da die Trennung von Eigentum und Management eine langfristige Sicherung des Vermögens ermöglicht. Doch welche konkreten Mechanismen tragen zu einer effektiven Governance bei? 

 

Wie kann eine Stiftung als Instrument genutzt werden, um den Einfluss der Familie zu steuern und gleichzeitig deren Identität zu bewahren? Der erste Artikel unserer Serie beleuchtet die Grundlagen und interdisziplinären Perspektiven der Family Governance in Stiftungsstrukturen und zeigt auf, wie eine kluge Gestaltung zur Stabilität von Unternehmen und Vermögen beiträgt.


Family Governance beschreibt die langfristige Steuerung und Organisation von Familienunternehmen und deren Vermögenswerten über Generationen hinweg. In Stiftungsstrukturen übernimmt sie eine besondere Funktion, da die Stiftung als stabilisierendes Element dienen kann. 

 

Ihr Ziel ist es, Vermögen und Werte nachhaltig zu sichern, während gleichzeitig die Kontrolle familiärer Einflussnahme gewahrt bleibt. Die zunehmende Verrechtlichung und Komplexität erfordert dabei klare Governance-Regeln, um den Fortbestand der Stiftung und deren Einfluss auf das Familienunternehmen zu sichern. 

 

Neben der wirtschaftlichen Absicherung spielt auch die Frage der kulturellen und ethischen Identitätswahrung eine wesentliche Rolle, da Stiftungen oft auch Werteträger für nachfolgende Generationen sind.


Family Governance als Steuerungsinstrument

Ein funktionierendes Family-Governance-System stellt sicher, dass die Entscheidungsfindung über Generationen hinweg konsistent bleibt und ein langfristiger Zusammenhalt der Familie gewahrt wird. Dazu gehören formalisierte Mechanismen wie Familienverfassungen, Beiräte sowie Mediationsverfahren zur Prävention von Konflikten. Fleischer & Prigge (2024) betonen, dass gut etablierte Governance-Strukturen die Innovationsfähigkeit von Familienunternehmen stärken und deren Widerstandskraft in wirtschaftlichen Krisen erhöhen. Gersick (1997) zeigt zudem auf, dass transparente Entscheidungsstrukturen das Vertrauen zwischen den Familienmitgliedern fördern und den Einfluss interner Streitigkeiten auf das Unternehmen minimieren. Neben diesen organisatorischen Aspekten ist es jedoch entscheidend, dass die Governance auch flexibel genug ist, um sich an gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen anzupassen, ohne ihre Stabilitätsfunktion zu verlieren.


Die Stiftung als Governance-Instrument für Familienunternehmen

In der Praxis dient die unternehmensverbundene Stiftung als Mittel zur Stabilisierung von Familienunternehmen, indem sie eine klare Trennung zwischen Eigentum und operativem Management herstellt. Dabei ist die Stiftungssatzung ein zentrales Instrument, das die Entscheidungsmechanismen festlegt und Konfliktpotenziale innerhalb der Familie reguliert. 

Forschungsergebnisse zeigen, dass Stiftungen insbesondere in Krisenzeiten eine Schutzfunktion übernehmen können. Block und Kammerlander (2020) weisen darauf hin, dass die Implementierung von Governance-Regeln innerhalb der Stiftung essenziell ist, um familiäre Auseinandersetzungen zu vermeiden. 

 

Gerade bei mehrgenerationellen Familienunternehmen zeigt sich, dass eine unklare Verankerung von Entscheidungsstrukturen in der Stiftung langfristig zu Streitigkeiten und sogar zur Zersplitterung des Vermögens führen kann. Neben diesen Herausforderungen bieten Stiftungen jedoch auch die Möglichkeit, eine wertebasierte Nachfolgeregelung zu etablieren, die über rein ökonomische Interessen hinausgeht und die langfristige soziale Verantwortung der Familie reflektiert.


Interdisziplinäre Perspektiven auf Family Governance in Stiftungen

Family Governance in Stiftungsstrukturen ist nicht nur aus wirtschaftlicher und juristischer Sicht relevant, sondern auch aus einer soziologischen Perspektive. Fleischer & Prigge (2024) beschreiben die Stiftung als ein soziales System, das generationsübergreifende Identitätsdynamiken beeinflusst. 

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die Stiftung so zu gestalten, dass sie als identitätsstiftendes Element für die Familie dient und zugleich ein effektives Kontrollorgan bleibt. Eine unklare Definition von Zuständigkeiten und Mitspracherechten kann langfristig zu ineffektiver Entscheidungsfindung führen, während eine durchdachte Family Governance-Struktur zur nachhaltigen Unternehmenssicherung beiträgt. 

Zusätzlich wird immer deutlicher, dass erfolgreiche Stiftungsmodelle nicht nur interne Familieninteressen berücksichtigen sollten, sondern auch externe Stakeholder einbinden können, um eine ausgewogene und nachhaltige Struktur zu schaffen.


Fazit

Die Rolle der Family Governance in Stiftungsstrukturen ist von zentraler Bedeutung für den langfristigen Erhalt von Familienvermögen und den unternehmerischen Erfolg über Generationen hinweg. Während Stiftungen Stabilität und Schutz bieten, erfordert ihre Governance eine klare Strukturierung und Regelung der Entscheidungsprozesse, um Familienkonflikte zu minimieren. 

 

Die interdisziplinären Betrachtungen von Fleischer und Prigge und Block und Kammerlander zeigen, dass neben ökonomischen und rechtlichen Faktoren auch soziale Dynamiken entscheidend für eine erfolgreiche Family Governance in Stiftungsstrukturen sind. Zukunftsfähige Konzepte sollten daher eine ausgewogene Balance zwischen Familieninteressen und unternehmerischer Steuerung herstellen. Darüber hinaus ist es essenziell, Governance-Modelle regelmäßig zu evaluieren und anzupassen, um mit den sich wandelnden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen Schritt zu halten.


Literaturverzeichnis

Block, J., & Kammerlander, N. (2020): Führung und Kontrolle von Stiftungsunternehmen. In J. Block, P. May, A. Betzer, & D. von Au (Hrsg.): Die Familienstiftung. Ein Instrument zur Zukunftssicherung von Familienunternehmen. Springer Gabler, S. 35—49.

 

Fleischer, H., & Prigge, S. (Hrsg.) (2024): Family Firms and Family Constitution. Emerald Publishing Limited.

 

Gersick, K. (1997): Generation to Generation: Life Cycles of the Family Business. Harvard Business Review Press.