· 

Der Schweizer Einbürgerungsprozess

VON THORSTEN KLINKNER

 

Das Ziel einer Auswanderung in die Schweiz ist oft die Einbürgerung. In unserem aktuellen Monatsthema im Februar beschäftigen wir uns deshalb mit der „Einbürgerung in die Schweiz“ und stellen Ihnen in unserem ersten Teil dieser Serie zunächst den formalen Ablauf des Einbürgerungsprozesses vor.

Im zweiten Teil werden wir die Rechte und Pflichten eines Schweizer Staatsbürgers vorstellen. Weiterhin werden wir die steuerlichen und rechtlichen Auswirkungen eines Einbürgerungsverfahrens für Sie analysieren. Auf welche Unterschiede Sie sich bei einem Umzug in der Schweiz einstellen sollten, erläutern wir ebenfalls in dieser Serie.

 

Wer zehn Jahre in der Schweiz gelebt hat, kann das Schweizer Bürgerrecht beantragen. So leicht, so einfach. Doch hinter dieser so vereinfachten Aussage steckt vor allem eine Debatte um die Schweizer Identität, mit vielen Diskussionen um den Erhalt der Schweizer Kultur und der Frage, wie viele Einbürgerungen die Schweiz aushalten und gleichzeitig ihre kulturelle Identität erhalten kann. Reicht es dazu, in der Schweiz geboren zu sein, oder muss man Schweizer Eltern haben? Die Debatte wird immer wieder geführt, denn in der Schweiz lebt ein Viertel der Einwohnerzahl aus unterschiedlichen Gründen ohne Schweizer Pass und damit ohne politische Teilhabe in einem Land, das auf seine direkte Demokratie und die Subsidiarität sehr stolz ist. Um die Debatte und den Status quo des Einbürgerungsgesetzes nachvollziehen zu können, starten wir mit einer kurzen Erläuterung der historischen Entwicklung. Im Anschluss stellen wir Ihnen den aktuellen Stand des Einbürgerungsgesetzes vor.


Eine kurze Historie des Schweizer Bürgerrechts

In der Bundesverfassung von 1848 werden die Bürger von Schweizer Kantonen zu Schweizer Bürgern erklärt, für den Erwerb des Bürgerrechts sind aber die Kantone und Gemeinden zuständig. Eine landesweite rechtliche Gleichstellung gab es allerdings zunächst ausschließlich für christliche Männer. Jüdische Männer wurden beispielsweise erst 1867 zu gleichberechtigten Schweizer Bürgern. Frauen mussten noch 100 Jahre auf die Gleichberechtigung warten.

 

Mit der erneuerten Bundesverfassung von 1874 wurde die Zuständigkeit der Kantone eingeschränkt und die Eingliederung neuer Staatsbürger zur Sache des Bundes. Die Kriterien zur Einbürgerung wurden nun auf nationaler Ebene festgelegt.

 

Um 1900 gehörte ein Zehntel der Schweizer einem anderen Staat an. Um die Zahl der Ausländer zu senken, wurde das Bürgerrechtsverfahren vereinfacht. In der Folgezeit traten immer wieder Debatten auf, wie die Schweiz einerseits ihre Kultur und Eigenheiten schützen, und andererseits Ausländern die Einbürgerung ermöglicht werden kann. Da die Schweiz sich als Willensnation versteht, wurden 1928 die Kriterien zur Einbürgerung kulturell definiert. Wenn Mütter vor ihrer Heirat Schweizerinnen waren, konnten die Kinder von jetzt an automatisch eingebürgert werden. Die Frauen hingegen verloren mit ihrer Heirat das Schweizer Bürgerrecht.

 

1952 gab es einen tiefgreifenden Wandel im Schweizer Bürgerrecht. Die Einbürgerungsfrist wurde auf zwölf Jahre erhöht und die Kandidaten mussten in entscheidendem Maße in die schweizerischen Verhältnisse integriert sein. Schweizerinnen, die einen Ausländer geheiratet haben, konnten jetzt ihr Schweizer Bürgerrecht behalten und, falls schon verloren, wieder zurückerlangen. Ergänzend dazu wurde die Einbürgerung von Kindern von Schweizerinnen und Ehegatten mit ausländischer Staatsangehörigkeit erleichtert. Dies hatte einen hohen Anstieg an Einbürgerungen zur Folge. Auch wenn Überfremdungsängste immer wieder auch politisch diskutiert werden, wurde eine Begrenzung der Einbürgerungen 1976 abgelehnt.

 

1981 gab es einen Meilenstein: die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern. Damit erhalten nach dem Bürgerrecht Ausländerinnen bei Heirat mit einem Schweizer automatisch das Bürgerrecht. Schweizerinnen verlieren das Bürgerrecht auch nicht mehr bei Heirat mit einem Ausländer. Eine Einschränkung bleibt noch bestehen: Das Kind einer schweizerischen Mutter und eines ausländischen Vaters erhält das Schweizer Bürgerrecht nicht automatisch, im umgekehrten Fall jedoch sehr wohl.

 

1992 wurde die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt. In den 1990er Jahren folgte eine langwierige Diskussion, ob es erleichterte Einbürgerungsverfahren für junge Ausländer geben soll, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind. Dies wurde immer wieder und erst seit 2017 können in der Schweiz geborene Enkel von Einwanderern erleichtert eingebürgert werden.

 

2014 hat das Schweizer Parlament für eine Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes gestimmt. Die Integrationskriterien, das Einbürgerungsverfahren und die Gebühren auf Bundesebene wurden angepasst, und seit 2018 gelten die angepassten Regelungen für das Erlangen der Schweizer Staatsbürgerschaft.

 

Die aktuelle Rechtslage für das Erwerben der Schweizer Staatsbürgerschaft

Das Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht (Stand 9. Juli 2019) regelt sämtliche Fragen, wie die Schweizer Staatsbürgerschaft erworben werden kann. Wer als Ausländer in die Schweiz zieht, bekommt vom Bund die Einbürgerungsbewilligung erteilt, wenn der Bewerber eine Niederlassungsbewilligung besitzt und einen Aufenthalt von mindestens zehn Jahren in der Schweiz nachweist, davon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichen des Gesuchs. Eine Ausnahme gibt es für minderjährige Bewerber zwischen 8 und 18 Jahren. Hier werden die Jahre doppelt gezählt, es müssen aber mindestens sechs Jahre tatsächlicher Aufenthalt in der Schweiz sein.

 

Voraussetzung zum Erhalt der Schweizer Staatsbürgerschaft ist eine erfolgreiche Integration, das Beherrschen einer der drei Landessprachen in Wort und Schrift, und die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder Bildungserwerb. Den Kantonen ist auf ihrem Gebiet gestattet, eigene Integrationskriterien hinzuzufügen. Das Einbürgerungsverfahren sieht vor, dass das Gesuch bei einer kantonalen Behörde gestellt wird. Sind die Formalia erfüllt, kann der Kanton die Einbürgerung zusichern und leitet das Einbürgerungsgesuch an das Staatssekretariat für Migration (SEM) weiter. Sind die formellen und materiellen Voraussetzungen erfüllt, überstellt das SEM die Einbürgerungsbewilligung dem Kanton. Die kantonale Behörde trifft basierend darauf innerhalb von einem Jahr den Einbürgerungsentscheid. Mit dem positiven Einbürgerungsbescheid erhält der Antragsteller die Schweizer Staatsbürgerschaft, das Kantonsbürgerrecht und einen Heimatort.

 

Der Heimatort – wichtiges Identifikationsmerkmal ohne Bedeutung

 

Das Schweizer Bürgerrecht sieht eine Besonderheit vor: den Heimatort. Der Heimatort oder Bürgerort ist die Gemeinde, in der ein Schweizer Staatsbürger sein Bürgerrecht erhalten hat. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Geburtsort oder dem Wohnort. Der Heimatort ist auf allen amtlichen Dokumenten vermerkt und führt oft zu Verwechslung mit dem Geburtsort. Historisch gesehen war der Heimatort der Ort, an dem die Vorfahren lebten. Dieser Ort hatte Pflichten gegenüber den Bürgern und andersherum. So mussten die Männer dem Landesherrn des Heimatortes zur Verteidigung des Landes dienen, und umgekehrt verpflichtete sich der Bürgerort, für die Bürger aufzukommen, falls sie dazu selbst nicht mehr in der Lage waren. Außerdem hatten Bürger im Heimatort ein Recht auf Güter, z. B. die Holzgewinnung.

 

Dies ist heutzutage nicht mehr bedeutsam: Die Verteidigung des Landes wird über den Bund geregelt und seit 2017 wird die Sozialhilfe über den Wohnort gesteuert. Viele Schweizer haben nie in ihrem Heimatort gewohnt. Der Heimatort ist heute faktisch ein identitätsstiftendes Symbol, hat aber in der Schweiz immer noch eine derart große Bedeutung, dass hierüber bislang keine öffentliche Debatte geführt wurde.

 

Schweizer Bürgerrecht: Erleichterte Einbürgerungsvoraussetzungen

Für bestimmte Bewerber gelten erleichterte Einbürgerungsvoraussetzungen. Diese gelten für Ehegatten von Schweizer Bürgern, staatenlose Kinder, Kinder von eingebürgerten Elternteilen und Personen der dritten Ausländergeneration. Letztere können das Gesuch zur Einbürgerung bis zum vollendeten 25. Lebensjahr einreichen.

 

Entzogen werden kann das Schweizer Bürgerrecht nur, wenn man mit seinem Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich schadet. Auch, wenn das selten vorkommt, kann der Schweizer Bürger seine Staatsbürgerschaftsentlassung beantragen, wenn er beispielsweise nicht mehr in der Schweiz lebt, eine weitere Staatsbürgerschaft angenommen hat und somit eine doppelte Staatsbürgerschaft oder weitere Staatsangehörigkeiten besitzt.

 

Wer Schweizer Staatsbürger werden will, benötigt Zeit. In der Zeit, in der Sie vor Ort in der Schweiz leben, werden Sie herausfinden, ob es für Sie wichtig ist, den Schweizer Pass zu besitzen. Aus steuerlicher und rechtlicher Sicht hat ein Umzug in die Schweiz große Auswirkungen, die vor dem Umzug in die Schweiz beachtet werden sollen.

 

Wir beraten Sie dazu gerne.