Grunderwerbsteuer – Steuerbefreiung von Umwandlungsvorgängen

Grunderwerbsteuer beim Aufbau von Stiftungsstrukturen (Teil 3 von 4)

VON THORSTEN KLINKNER

 

Grunderwerbsteuer – Steuerbefreiung von Umwandlungsvorgängen am Beispiel einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu errichtete Kapitalgesellschaft

 

In Teil 2 unserer vierteiligen Stifterbriefreihe zur Grunderwerbsteuer haben wir Ihnen die grunderwerbsteuerrechtlichen Implikationen einer Übertragung von Immobilienvermögen aus dem Betriebsvermögen auf eine Stiftungsstruktur erläutert. In diesem Teil möchten wir uns mit der Steuerbefreiung im Zusammenhang mit Umwandlungsvorgängen gemäß § 6a GrEStG am Beispiel der jüngsten finanzgerichtlichen Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster vom 03.05.2022 zur Anwendbarkeit von § 6a GrEStG in Fällen einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft befassen.

 

Thematische Einordnung

 

Viele erfolgreiche Unternehmen sind in der Vergangenheit in der Rechtsform eines Einzelunternehmens geführt worden. Im Zuge der Unternehmensnachfolgeplanung wird häufig die Überführung der bisherigen Unternehmenssubstanz in eine Kapitalgesellschaft erwogen. Auch anlässlich einer Stiftungserrichtung stellt sich die Frage, wie ein bislang als Einzelunternehmen geführtes Unternehmen in die Stiftungsstruktur überführt werden soll. Rechtstechnisch kann eine Umwandlung des Einzelunternehmens in eine GmbH im Wege einer Ausgliederung nach Maßgabe der §§ 152, 158 ff., 123 ff. UmwG vollzogen werden. Ungeachtet der ertragsteuerlichen Anforderungen stellt sich für im Betriebsvermögen befindliche Grundstücke die Frage, ob diese grunderwerbsteuerfrei im Zuge der Ausgliederung auf die GmbH übergehen können. Steuerlich sind in diesem Zusammenhang der Abschluss des Ausgliederungsvertrags einerseits und die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken und Anteilen andererseits zu betrachten. Während der Abschluss des Ausgliederungsvertrags an sich grunderwerbsteuerfrei erfolgten können soll (BFH v. 29.05.2005 – II R 23/04, BStBl. II 2006, 137), sind die Eigentumsübertragung bezüglich der Grundstücke nach § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG und bezüglich der Anteile nach § 1 Abs.3 Nr.4 GrEStG steuerbar. Umstritten ist in diesem Zusammenhang aktuell noch, ob diese steuerbaren Erwerbsvorgänge von der Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern gemäß § 6a GrEStG profitieren können.


Steuerbefreiung von Umwandlungsvorgängen gemäß  § 6a GrEStG

Bei der Steuerbefreiungsvorschrift für Umwandlungsvorgänge handelt es sich um eine mit Wirkung ab dem 01.01.2010 eingeführte Steuervergünstigung, mit der der Gesetzgeber eine Erleichterung für konzerninterne Umstrukturierungen schaffen wollte. Nach Erweiterung des Tatbestands dieser Steuerbefreiung auf bestimmte Fälle bei Personengesellschaften (vgl. § 1 Abs.3a GrEStG) sind viele Umwandlungen, hierunter auch die Ausgliederung, begünstigungsfähige Umwandlungsvorgänge. Eine Steuerbefreiung besteht aber nur für solche begünstigungsfähige Rechtsvorgänge, bei denen ausschließlich ein herrschendes Unternehmen, und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (vgl. § 6a Satz 3 GrEStG). Als abhängig im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG gilt nach Satz 4 eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar, oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen beteiligt ist.

 

Bisherige Verwaltungsauffassung im Fall der Ausgliederung von Einzelunternehmen auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft:

 

Nach dem gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.09.2020 (BStBl. I 2020, 960, Ziffer 2.1) findet die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG in Fällen der Ausgliederung bzw. Aufnahme eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft keine Anwendung. Eine Begründung dieser Verwaltungsauffassung im Erlass erfolgt nicht.

 

Entscheidung des Finanzgerichts Sachsen vom 30.06.2021

Mit Urteil vom 30.06.2021 (FG Sachsen v. 30.06.2021 – 2 K 121/21, DStR 2021, 2969-2971; Revision unter II R 2/22) hat das Finanzgericht Sachsen entschieden, dass die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 6a GrEStG erfüllt sind.

 

Im Kern begründet das Finanzgericht Sachsen seine Entscheidung damit, dass der Gesetzgeber mit der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen erleichtern wollte, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können (Bundestagsdrucksache 17/147, 10). Dies schließe auch solche Umwandlungsvorgänge ein, durch die ein Konzern beendet oder neu begründet wird. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, nur bestimmte Umwandlungsvorgänge, z.B. Verschmelzungen auf Schwestergesellschaften, zu begünstigen, zumal die Begünstigungswirkungen des § 6a GrEStG nach der Vorstellung des Gesetzgebers allen Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugutekommen sollten (Bundestagsdrucksache 17/147, 10). Der Begünstigungszweck würde verfehlt, so das Finanzgericht Sachsen unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH (BFH v. 21.08.2019 – II R 15/19, BStBl. II 2020, 329), schlösse man diejenigen Umwandlungsvorgänge, die in der Praxis sehr häufig vorkommen, nämlich die vertikale Verschmelzung und die Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 6a GrEStG aus.

 

Nach der Entscheidung des Finanzgerichts Münster erfasst der Begriff des "herrschenden Unternehmens" im Sinne von § 6a Satz 3 GrEStG alle Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts und gilt selbst für natürliche Personen, die die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privatvermögen halten und über die Beteiligung am Markt wirtschaftlich tätig sind.

 

Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 03.05.2022

Im Anschluss an die Entscheidung des Finanzgerichts Sachsen entscheid auch das Finanzgericht Münster mit Beschluss vom 03.05.2022 (FG Münster v. 03.05.2022 – 8 V 246/22 GrE) entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis, dass bei der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 6a GrEStG Anwendung findet.

 

Die im Zuge einer Ausgliederung erfolgte Übertragungen von Eigentum an Grundstücken erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 S.1 GrEStG. Hierbei tritt der Eigentumsübergang kraft Gesetzes nach §§ 131 Abs.1 Nr.1, 135 Abs.1 UmwG ein, ohne dass ein Anspruch auf Übertragung erworben wurde (aaO mit Verweis auf Pahlke, § 1 GrEStG, Rn. 168).

 

Der Übergang der im Eigentum von Tochtergesellschaften stehenden Grundstücke erfüllt jeweils den Tatbestand des § 1 Abs.3 Nr.4 GrEStG.

 

Beide Rechtsvorgänge sind gemäß § 6a S.1 GrEStG aufgrund einer Umwandlung (§ 1 Abs.1 Nr.1 bis Nr.3 UmwG) unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a Satz 3 und Satz 4 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Hierbei ergibt sich nach der Rechtsauffassung des 8. Senats des Finanzgerichts Münster die Steuerfreiheit daraus, dass das Einzelunternehmen herrschendes Unternehmen im Sinne der § 6a Satz 3 GrEStG sein kann, und die Ausgliederung zur Neugründung mit Blick auf die vorzitierte Rechtsprechung des Finanzgerichts Sachsen und die Rechtsprechung des BFH zur Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auch für den Fall der Ausgliederung gelten soll.

 

Fazit

 

Beim Bundesfinanzhof ist aktuell unter dem Aktenzeichen II R 2/22 noch eine Revision gegen das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichts Sachsen anhängig. Im Zuge der Revision wird sich der Bundesfinanzhof mit der Frage zu befassen haben, ob die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete GmbH nach § 6a GrEStG begünstigt ist. Für Stifter bietet eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG eine höhere Flexibilität für die Strukturierung stiftungsverbundener Unternehmen.