Werden zukünftig Juristen überflüssig, weil uns Künstliche Intelligenz dann unsere Rechtsgutachten erstellt?
Wird die Vermögensverwaltung oder Finanzplanung von Maschinen übernommen?
Klar ist, KI wird die Arbeitswelt verändern. Die Frage ist: In welcher Form?
In diesem Gastbeitrag stellen ich vor, wie Künstliche Intelligenz und Beratungsleistungenmiteinander kombiniert werden und wo sie sich ergänzen.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde und befeuert seit gut einem Jahr die Kurse an den (Technologie-) Aktienmärkten. Wer heute ein Smartphone oder einen Computer benutzt, hat bereits oft mit Künstlicher Intelligenz zu tun, zum Teil ohne es zu wissen oder zu bemerken. Sie steckt mittlerweile in vielen technischen Geräten und macht uns das Leben leichter, z.B. bei der Navigation im Auto oder der Beantwortung von Fragen. Bild- und Spracherkennung, Datenanalyse, Sensorik, die Einsatzgebiete sind vielfältig und nutzen unterschiedliche - schwache, starke oder generative KI-Technologien.
Künstliche Intelligenz steht für Software- und Robotik-Systeme, die ein Verhalten zeigen, für welches menschliche Intelligenz vorausgesetzt wird. Die Systeme sind in der Lage, abstrakt beschriebene Aufgaben und Probleme eigenständig zu lösen – ohne dass jeder Schritt vorab vom Menschen programmiert wurde.
Eine allgemein akzeptierte Definition von KI gibt es jedoch (noch) nicht, zumal dies oft schon an einer allgemein akzeptierten Definition scheitert, was genau Intelligenz eigentlich ist.
Es geht also um Algorithmen?
Oftmals werden die Begriffe KI und Algorithmen fälschlicherweise gleichgesetzt. (Klassische) Algorithmen beschreiben einen genau festgelegten Rechenweg, der zu einem erwartbaren Ergebnis führt. Jeder einzelne Schritt auf dem Weg zur Lösung ist vorab definiert. Künstliche Intelligenz beruht zwar auf Algorithmen, aber im Unterschied zu klassischen Algorithmen lernen die in modernen KI-Systemen verwendeten Algorithmen laufend dazu und passen den Rechenweg eigenständig an. Grundlage für diesen Lernprozess ist eine riesige Menge an Daten, die dem KI-System als Wissensbasis dienen.
Eine hohe Datenqualität, Datenschutz, Datensicherheit und eine leistungsfähige IT-Infrastruktur bzw. Rechnerkapazität sind damit wichtige Voraussetzungen für eine sinnvolle Anwendung und verlässliche Ergebnisse von Künstlicher Intelligenz.
Werden also durch künstliche Intelligenz Finanzplaner, Vermögensverwalter oder Asset Manager künftig überflüssig?
Künstliche Intelligenz wird innerhalb der Vermögensverwaltung bereits seit einigen Jahren, z.B. in der Datenanalyse, verwendet. Doch auch hier hat der Eintritt der generativen KI, die eigenständig Texte, Audiodateien, Bilder, Videos oder Codes kreiert, in unser Leben ein völlig neues Spektrum an Einsatzmöglichkeiten in der Vermögensverwaltung geschaffen.
Etliche Arten der manuellen Datenverarbeitung, darunter Datenabrufe aus Researchquellen, Chartanalyse oder die Erstellung von Performanceberichten können automatisiert, und damit effizienter gestaltet werden. Auch in Sachen Compliance und Risikomanagement kann KI die Prozessabläufe beschleunigen und die Produktivität steigern.
Am Ende steht jedoch immer noch der Mensch, der die von der KI geschaffenen Ergebnisse nachvollziehen und plausibilisieren muss. Denn immer noch liefern KIs auch so genannte "Halluzinationen": KI-Modelle können falsche Inhalte liefern, die für den Nutzer aber recht überzeugend klingen. Dies geschieht vor allem, wenn die KI auf Datenquellen zugreift, die sich der Kontrolle des Nutzers entziehen, der Nutzer also die Richtigkeit und Qualität der von der KI genutzten Daten nicht überprüfen kann.
Für eine Frage wie: "In welche Aktie des chinesischen Marktes muss ich investieren, um reich zu werden?", wird eine KI wahrscheinlich nicht nur auf gesicherte Unternehmensdaten und nachvollziehbare Prognosen zugreifen, sondern vermutlich auch auf nicht-verifizierte "Unternehmensnachrichten", Branchengeflüster und lancierte Kampagnen. Die Künstliche Intelligenz mag ein plausibel erscheinendes Ergebnis auswerfen, doch die Werthaltigkeit des Ergebnisses muss hinterfragt werden. Ebenso treten auch zunehmend Haftungsfragen in den Blickpunkt der Weiterentwicklung von KI.
Heute lautet die Antwort einiger KI-Systeme auf diese Frage: "Wenden Sie sich an eine Bank oder einen Finanzberater". Probieren Sie es doch einmal aus.
Fazit
Künstliche Intelligenz wird uns die Arbeit erleichtern. Sie wird Vermögensverwalter und auch Juristen nicht ersetzen, aber ihnen neue Werkzeuge an die Hand geben, um mehr Zeit für strategische Planung und die individuelle Kunden- bzw. Mandantenbetreuung zu haben.
Für Kunden sind Geldangelegenheiten immer eine Vertrauensfrage und Vertrauen entsteht zwischen Menschen.
Einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young zufolge wünschen sich immerhin 71 Prozent der Kunden in dieser bewegten Zeit einen engen Kontakt mit ihrem Berater. KI schafft hier Freiräume für eine direkte, passgenaue und ganzheitliche Beratung. Damit wird sich die Vermögensverwaltung auch weiterhin deutlich von Robo-Advisors und passiv gemanagten Fonds abheben.
Quellen: Bundesministerium für Bildung und Forschung, F.A.Z., E&Y, Cinerius Gruppe.
Dörthe Mehlhorn ist seit 2022 Vermögensverwalterin bei Ringelstein & Partner. Als Certified Wealth Manager (EBS) gehört die ganzheitliche Betreuung anspruchsvoller Vermögen zu ihren Kernkompetenzen.
Zuvor arbeitete sie 25 Jahre bei der Deutschen Bank in verschiedenen Funktionen, u.a. in der Essener Niederlassung als Relationship Managerin in der Betreuung vermögender Privatkunden und Stiftungen, sowie in Frankfurt am Main als Leiterin Employer Brand & Marketing Deutschland und als Spezialistin Marketing & Kommunikation für verschiedene Stabsbereiche.
Dörthe Mehlhorn studierte BWL an der TU Chemnitz sowie der University of Humberside Hull (GB) mit dem Abschluss zur Diplom-Kauffrau.