VON THORSTEN KLINKNER
In Deutschland stehen in den kommenden Jahren 30.000 Übergaben in Familienunternehmen an und wir sind schon mittendrin. Dabei gibt es Änderungen in der Nachfolge, die interessant sind. So geben lt. der Studie der Stiftung Familienunternehmen 61,2 Prozent an, dass nicht mehr nur ein Familienmitglied, sondern ein Team aus Familienmitgliedern und Nichtfamilienmitgliedern die Unternehmensnachfolge übernimmt. Ganze 71 Prozent der befragten jungen Generation sind entschlossen, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen. Sie sind bereit, bis zum 40. Lebensjahr einen Geschäftsführerposten im Familienunternehmen anzutreten und damit eine operative Rolle in der Firmennachfolge zu übernehmen.
Die Bereitschaft dazu stieg in den vergangenen zehn Jahren im Mittel deutlich um 91 Prozent. Interessant ist allerdings, dass nur 18,5 Prozent die Nachfolge schriftlich geregelt haben. In der Entwicklung tragfähiger Konzepte zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge ist die Ausgangssituation regelmäßig durch vier Aspekte gekennzeichnet, die ich Ihnen in diesem Stifterbrief vorstellen möchte.
Vier Aspekte der generationenübergreifenden Unternehmensfortführung
1. Die generationenübergreifende Unternehmensfortführung
Zunächst ist die generationenübergreifende Unternehmensfortführung sehr häufig das zentrale Ziel der Gesellschafter eines Familienunternehmens. Die sprichwörtliche „Nach mir die Sintflut“–Mentalität gibt es bei den Gesellschaftern kaum. Es geht ihnen um den Schutz und die Weiterentwicklung des Unternehmens. Die aufgebaute Substanz soll erhalten und zukunftsorientiert weiterentwickelt werden. In diesem Kontext wird daher auch oft von „Zukunftssicherung“, „Unternehmenserhalt“ und „Vermögensschutz“ gesprochen.
2. Die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie
Dabei ist als zweiter Aspekt die Fortführung innerhalb der Familie angestrebt. Nicht Irgendjemand soll das Unternehmen auf der Eigentümerebene fortführen, sondern es soll in Familienhand bleiben, um den Charakter als Familienunternehmen zu erhalten. Die Familie und ihre Mitglieder bekennen sich zum Unternehmen. Sie (die Familie) hat einen generationenübergreifenden und dynastischen unternehmerischen Anspruch, der sich auch in der Bereitschaft der jungen Generation widerspiegelt, Verantwortung zu übernehmen.
3. Die Vermischung von Eigentümerebene und operativer Unternehmensnachfolge
Sehr häufig ist die Struktur des Familienunternehmens „historisch gewachsen“. Vielfach besteht ein Geflecht von Gesellschaften und Vertragsbeziehungen – auch unter Einbindung von Ehepartnern, die beispielsweise Immobilien aus Gründen des Vermögensschutzes halten. Damit vermischen sich Fragen der Vermögensnachfolge auf der Eigentümerebene und der operativen Unternehmensnachfolge. Zudem spielen Aspekte des ehelichen Güterrechts in die Gestaltungsüberlegungen ein.
4. Freiheit und Selbstverantwortung für die nachfolgende Generation
Der vierte Aspekt in der typischen Ausgangssituation zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge in einem Familienunternehmen besteht in der Regel im Wunsch der Elterngeneration, dass die Kinder ihren beruflichen Lebensweg selbst bestimmen und frei gestalten können. Freiheit und Selbstverantwortung sind fast ohne Ausnahme sehr hohe Werte einer aktiven Unternehmerfamilie. Die nächste Generation soll weder einen ausgesprochenen, noch einen unausgesprochenen Druck spüren, das Familienunternehmen fortführen zu müssen. Stattdessen ist der Wunsch der Elterngeneration, die nächste Generation für das Unternehmen zu begeistern und auf die Aufgaben eines Gesellschafters vorzubereiten. Folgt man den Ergebnissen der o.g. Studie, ist dies gelungen und weitaus mehr. Denn die jüngere Generation setzt auf die Werte der Elterngeneration und baut sie aus. So stieg bei den Befragten die Zustimmung zu der Aussage „ein reines Gewissen zu haben“ auf ein Plus von sieben Prozent auf acht Prozent, sowie zum Aspekt „so zu leben, dass der Mitmensch nicht geschädigt wird“, um drei Prozent auf insgesamt 90 Prozent.
Problemstellungen bei der Unternehmensnachfolge mit minderjährigen Kindern
Wie überall ist eine Unternehmensnachfolge ein Prozess, der auch mit Unwegsamkeiten einhergeht.
Unsicherheiten entstehen in dieser Situation insbesondere dann, wenn die nachfolgende Generation innerhalb der Familie entweder noch minderjährig oder noch unentschieden ist, welchen beruflichen Weg sie wählen möchte. Das erforderliche „Wollen und Können“ ist noch unklar.
In dieser Situation möchten viele Gesellschaften zur Sicherung der Unternehmensfortführung einen Eigentümerwechsel verhindern. Häufig wird das Unternehmen dann als Ganzes erworben und später aus Gründen des Shareholder-Values in Teile zerlegt. Hinzu kommt, dass bei minderjährigen Kindern der „worst case“ verhindert werden soll. Er tritt häufig durch den frühzeitigen Tod der Eltern z. B. aufgrund Unfall oder Krankheit ein, in dessen Folge dann ein rechtlicher Betreuer für die Kinder erforderlich wird. Dieser übt dann auch die Gesellschafterrechte der Kinder aus.
Die unternehmensverbundene Familienstiftung als sinnvolle Option
In dieser Situation ist die Gestaltung einer unternehmensverbundenen Familienstiftung eine sinnvolle Option, die eingehend betrachtet werden sollte. Denn unter dem Dach der Stiftung kann das Unternehmen zukunftsorientiert weiterentwickelt werden. Die Struktur einer Familienstiftung verbindet die Stabilität und Kontinuität auf der Stiftungsebene mit der erforderlichen Agilität im operativen Bereich. Dabei können sich Familienmitglieder entscheiden, an welcher Stelle sie beruflich tätig werden.
Wenn Familienmitglieder keine Gesellschafteraufgaben übernehmen können oder wollen, muss das Unternehmen nicht zwangsläufig verkauft werden. Es kann auch unterhalb der Stiftung für die Familie „geparkt“ werden, wenn z. B. Familienmitglieder noch in Ausbildung sind, oder befristet in anderen Unternehmen arbeiten und Erfahrungen sammeln.
Letztlich bietet die Struktur für die Mitglieder der Unternehmerfamilie und deren Mitarbeiter Sicherheit, die nicht durch private Lebensrisiken (Scheidung, Erbfall, vorzeitiges Ableben) auf der Gesellschafterebene gefährdet ist.
In den nächsten Wochen werden wir diese Strukturidee der unternehmensverbundenen Familienstiftung in den Details erläutern, häufige Fragen beantworten und ihre Möglichkeiten aufzeigen.