VON THORSTEN KLINKNER
Der Nießbrauch wird als klassisches Gestaltungsinstrument zur Minderung der Steuerprogression verwandt. Stifter können bei der Übertragung von Immobilien und sonstigen Wirtschaftsgütern die rechtsformspezifischen Vorteile des Nießbrauchs nutzen. Insbesondere kann eine Trennung von Vermögensstamm und Vermögensfrüchten erfolgen.
Erscheinungsformen des Nießbrauchrechts
Für die Ausgestaltung eines Nießbrauchs sind in der Praxis verschiedene Arten des Nießbrauchrechts zu unterscheiden. Stifter können bei der Vertragsgestaltung bedarfsweise das Eigentum am Grundstück oder die Nutzungsrechte am Grundbesitz zurückbehalten.
Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich auf den Zuwendungsnießbrauch und den Vorbehaltsnießbrauch als klassische Erscheinungsformen. Daneben bestehen auch weitere, wie etwa der Vermächtnisnießbrauch oder der Sicherungsnießbrauch.
- Zuwendungsnießbrauch : Der Grundstückseigentümer überträgt das Nießbrauchrecht und behält das Eigentum.
- Vorbehaltsnießbrauch : Der Grundstückseigentümer hält ein Nutzungsrecht in Form eines zuvor bestellten Nießbrauchrechts zurück und überträgt das Vollrecht (Eigentum).
Zuwendungsnießbrauch an Immobilien
Die einzelfallgerechte Ausgestaltung des Nießbrauchs an Immobilien sollte sich an den von der Finanzverwaltung im sog. Nießbraucherlass (BMF vom 30.09.2013, BStBl. I 2013, 1184) aufgestellten Maßstäben orientieren und bedarf daher im Einzelfall einer sorgfältigen Überprüfung.
Als steuerlich ungünstig stellt sich für Grundbesitz regelmäßig eine unentgeltliche Übertragung von Immobilienvermögen auf eine Stiftung unter Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs dar (sog. unentgeltlicher Vorbehaltsnießbrauch), weil der Grundstückseigentümer aus dem Grundstück keine Einnahmen erzielt und damit keinen Werbungskostenabzug bezüglich der Abschreibungen für Abnutzungen (im Folgenden: AfA) und der Grundstücksaufwendungen mehr geltend machen kann. Der Nießbraucher erzielt demgegenüber zwar regelmäßig Vermietungseinkünfte, kann die Gebäude-AfA allerdings ebenfalls nicht abziehen, weil der Grundstückseigentümer die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten getragen hat. Damit geht im Fall einer unentgeltlichen Übertragung von Immobilienvermögen unter Nießbrauchvorbehalt die Gebäude-AfA regelmäßig insgesamt verloren. Zudem kann er nur Grundstücksaufwendungen im Zusammenhang mit dem Nießbrauchrecht als Werbungskosten geltend machen.
Demgegenüber bleibt ein Abzug der Gebäude-AfA bei einer entgeltlichen Übertragung des Grundstückseigentums unter Zurückbehalt des Nießbrauchrechts (sog. entgeltlicher Vorbehaltsnießbrauch) möglich. Der Grundstückseigentümer erzielt Vermietungseinkünfte im Zusammenhang mit dem Entgelt für die Überlassung des Nießbrauchs und ist zur Vornahme von Gebäudeabschreibungen befugt. Gleichzeitig darf er nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung mit dem Nießbraucher Aufwendungen für das Grundstück als Werbungskosten abziehen. Auf der Seite des Nießbrauchers kann dieser, soweit er das Grundstück zur Erzielung von Mieteinkünften verwendet, die AfA vornehmen. Je nach Einzelfallkonstellation ist die AfA über die Nutzungsdauer des Nießbrauchs aufzuteilen. Hierbei sind Einmalzahlungen linear zu verteilen, lebenslange Nießbrauchrechte sind auf die mutmaßliche Lebenszeit zu verteilen.
Nutzt der Nießbraucher selbst die Immobilie, so verbleiben beim Eigentümer aufgrund seiner Einnahmen aus dem Nießbrauchentgelt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die beim Grundstückseigentümer einen Abzug von Werbungskosten und einen Abzug anteiliger Gebäude-AfA erlauben. Die Möglichkeit einer AfA bei der Selbstnutzung des entgeltlichen Vorbehaltsnießbrauchrechts auf das Nießbrauchrecht entfällt allerdings insgesamt.
Vorbehaltsnießbrauch an Immobilien
Beim Vorbehaltsnießbrauch überträgt der Grundstückseigentümer sein Eigentum an dem Grundstück auf einen Anderen und behält sich ein Nießbrauchrecht am Grundstück zurück. Unabhängig von der Frage der Entgeltlichkeit kann der neue Eigentümer in Fällen des Vorbehaltsnießbrauchs keine Einnahmen aus dem nießbrauchbelasteten Grundstück erzielen und kann deshalb auch keine Aufwendungen und keine AfA als Werbungskosten abziehen.
Der ehemalige Eigentümer als neuer Vorbehaltsnießbraucher kann das Grundstück demgegenüber unverändert im Umfang seines Nießbrauchrechts weiter nutzen und, im Fall einer Fremdvermietung des Grundstücks, die auf sein Nutzungsrecht entfallende AfA auf die von ihm getragenen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Grundstücks geltend machen.
Bewertung des Nießbrauchrechts bei Immobilien
Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs verschenkt, so mindert der Wert des Nießbrauchrechts als Abzugsposition regelmäßig den steuerpflichtigen Erwerb des Beschenkten. Hierbei richtet sich der Wert des Nießbrauchrechts nach den Grundsätzen des Bewertungsrechts, welches auch im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Anwendung findet. Im Fall eines lebenslänglichen Nießbrauchrechts erfolgt eine Bewertung nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes (§ 14 Abs. 1 BewG), wonach eine Kapitalisierung des Jahreswertes des Nutzungsrechts unter Berücksichtigung eines Vervielfältigers erfolgt, der die statistisch zu erwartende Lebenszeit des Nießbrauchberechtigten berücksichtigt.
Gestaltung mit dem Nießbrauchrecht im Zusammenhang mit Stiftungen
In der Gestaltungspraxis kommt dem Nießbrauch eine wichtige Funktion zu. So können Stifter an ihre Stiftung (oder Stiftungen an Dritte oder die Stifterfamilie) ihr Eigentum an Immobilien übertragen und sich ein Nießbrauchrecht vorbehalten. Im Fall einer unentgeltlichen Übertragung zu fremdüblichen Konditionen kann der Wert des steuerpflichtigen Erwerbs um den Nießbrauch gemindert werden und so eine effiziente Vermögensübertragung von Immobilienvermögen auf eine Stiftung erzielt werden. Die Übertragung unter Nießbrauchvorbehalt kann deshalb sowohl für Immobilien der Stifterfamilie, also auch für Immobilien der Stiftung einzelfallgerecht erfolgen, um bedarfsweise der Stiftung das Eigentumsrecht an einer Immobilie oder das Nutzungsrecht zuzuweisen.
Fazit
Der Nießbrauch an Immobilien ist ein interessantes Instrument für eine progressionsschonende Übertragung von Immobilien auf eine Stiftungsstruktur.