
Beiräte sind längst kein bloßes Symbolgremium mehr, sondern – richtig eingesetzt - ein entscheidender Wertschöpfungstreiber. Eine gezielte Besetzung mit unabhängigen Experten, eine professionelle Zusammenarbeit und regelmäßige Evaluierung machen den Beirat zu einem strategischen Erfolgsfaktor für Familienunternehmen – und helfen so, das Lebenswerk über Generationen hinweg zu sichern.
Familienunternehmen stehen vor einzigartigen Herausforderungen: Der Spagat zwischen Tradition und Innovation, das Ringen um Nachfolgeregelungen und externe Markteinflüsse erfordern eine kompetente und nachhaltige Unternehmensführung. In diesem Kontext gewinnt der Beirat als strategisches Steuerungsgremium zunehmend an Bedeutung.
Während Beiräte in vielen Unternehmen früher eher symbolische Funktionen hatten – oft besetzt mit aus dem Management ausgeschiedenen Gesellschaftern und langjährigen Vertrauten der Familie – wird heute ein Wandel sichtbar: Familienunternehmen setzen verstärkt auf professionelle Beiräte mit gezielt ausgewählten Kompetenzen, um strategische Entscheidungen objektiver und effektiver zu begleiten. Auch die Zahl der neu eingerichteten Beiräte steigt – hatten Anfang der 2000er Jahre nur etwa ein Drittel der Familienunternehmen einen Beirat, sind es heute weit mehr als die Hälfte.
Sich verändernde Aufgaben und geforderte Kompetenzen
Der moderne Beirat ist bei Weitem kein Ehrenamt mehr, sondern ein professionelles, aktiv gestaltendes Organ, dessen Aufgabenspektrum eine Mischung aus Beratungs-, Kontroll- und Entscheidungstätigkeiten umfasst. Dazu gehören zum Beispiel Mitsprache bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, Kontrolle der Geschäftsleitung, Zustimmung zu größeren Investitionsentscheidungen, Neu- bzw. Nachbesetzung von Geschäftsführern und Austarieren der Interessen aller Gesellschafter bei weitverzweigten Familienstämmen.
Insofern ändern sich auch die Anforderungen an die Kompetenzen von Beiratsmitgliedern:
- Zukunftskompetenzen: Neben den klassischen Kompetenzen wie Finanzen und Strategie werden zunehmend technologische, digitale und regulatorische Kenntnisse gesucht. Expertisen, die die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens betreffen, in Bereichen wie Innovation, Globalisierung, Krisenmanagement/Restrukturierung/Transformation, Nachhaltigkeit etc. werden besonders geschätzt.
- Komplementarität und Diversität: Die zunehmende Komplexität des wirtschaftlichen Kontextes erfordert auch im Beirat eine ausgewogene und sich ergänzende Mischung an Erfahrungen und Hintergründen. Abgesehen von unterschiedlichem Fach- und Branchen Know-how geht es auch um Diversität hinsichtlich Alter, Geschlecht und Nationalität und die damit einhergehende Erweiterung der Perspektiven auf das Geschäft.
- Gesellschafter & Externe: Ein bewusster Mix aus familieninternen Gesellschaftern und externen Experten stärkt die Unabhängigkeit und Entscheidungsqualität des Gremiums. Aus diesem Grund ist auch zu beobachten, dass der Vorsitz zunehmend mit einem „neutralen“ Familienfremden besetzt wird, der im Zweifelsfall auch „nach innen“ bei Familiengesellschaftern/-stämmen moderierend wirken kann.
Case Study: Wie ein Familienunternehmen seinen Beirat transformierte
Ein traditionsreiches Familienunternehmen aus dem Maschinenbau erkannte, dass es für die Zukunft besser aufgestellt sein musste. Die Herausforderungen: Digitalisierung, Generationswechsel und neue Wettbewerber aus Asien. Der bestehende Beirat bestand hauptsächlich aus langjährigen Vertrauten der Familie mit traditionellem Hintergrund aus den Bereichen Steuern und Recht, die dem extern besetzten Management weder bei Strategie noch Entscheidungen aktiv beratend bzw. fordernd zur Seite standen.
Lösung: Der Beirat wurde gezielt zum „aktiven Sparrings-Gremium“ der Geschäftsleitung umgebaut: er wurde mit drei neuen Mitgliedern besetzt – ein Digitalisierungsexperte, eine Lieferketten- und Nachhaltigkeitsspezialistin und ein ehemaliger CEO mit Globalisierungsexpertise aus einer verwandten Branche. In den ersten zwei Jahren dieser neuen Besetzung wurden tiefgreifende Innovationsprojekte für den globalen Markt angestoßen, digitale Lösungen ausgebaut und eine klare Nachhaltigkeitsstrategie definiert. Gleichzeitig wurde ein Familienmitglied der nachfolgenden Generation auf seine zukünftige Aufgabe als Beiratsmitglied mit einer individuellen Development Agenda vorbereitet.
Das Unternehmen profitierte nicht nur von der Expertise, sondern auch von der besseren Governance und professionellen Entscheidungsprozessen, die durch den neuen Beirat ermöglicht und eingefordert wurden.
Wie eine effektive Zusammenarbeit im und mit dem Beirat gelingt
Damit ein Beirat effektiv wirken kann, sind einige wichtige Voraussetzungen zu schaffen, insbesondere weil dafür keine gesetzlichen Vorgaben bestehen wie z.B. bei einem Aufsichtsrat:
- Klare Rollenverteilung: Der Beirat soll beraten und überwachen – nicht operativ ins Tagesgeschäft eingreifen. Daher sollte im Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt sein, was das Gremium insgesamt, aber auch jedes einzelne Mitglied, an Aufgaben, Kompetenzen und Entscheidungsspielraum hat.
- Qualifikationskriterien der Mitglieder: Beiräte wurden und werden oft über das eigene Netzwerk besetzt. Professionalität wird aber wie bei allen Führungsaufgaben erst erreicht, wenn die Anforderungen konkret definiert werden und dann möglichst unabhängig und unvoreingenommen nach geeigneten Kandidaten gesucht wird. Übrigens sollten spezifische Kriterien auch für Familien-Beiratsmitglieder festgelegt werden – inklusive evtl. notwendiger Entwicklungsschritte. Dabei spielen geteilte Werte und Unternehmenskultur ebenso eine Rolle, denn gegenseitiges Vertrauen zwischen Familie, Geschäftsführung und Beirat ist essenziell.
- Kommunikations- und Sitzungskultur: Eine Geschäftsordnung für den Beirat trägt dazu bei, dass Beiratssitzungen gut vorbereitet und mit klaren Beschluss- und Abstimmungsmodalitäten unterlegt sind, sowie die Kommunikation, gerade bei Entscheidungsgrundlagen, mit allen Beteiligten im Unternehmen effektiv geführt wird.
- Leistungsbewertung: Beiratsarbeit sollte regelmäßig evaluiert werden, um kontinuierliche Verbesserung zu ermöglichen. Erfahrungsgemäß ist das – im Gegensatz zu Aufsichtsräten – ein noch vielfach vernachlässigter Faktor.
Mit dem Wandel hin zu mehr Professionalisierung in der Beiratsarbeit und -besetzung kann dieses Gremium als strategischer Impulsgeber an der Seite des Managements einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Erfolg von Familienunternehmen leisten.

Cornelia Sengpiel ist Principal bei AvS Advisors, einer auf Familienunternehmen spezialisierten Executive Search Beratung mit den Schwerpunkten Besetzung von Vorständen, Aufsichtsräten und Beiräten sowie Beratung zu Governance und Nachfolge-Themen.
Ihre Karriere begann sie im Brand Management bei Procter & Gamble und Wella sowie in der strategischen Beratung bei McKinsey und beriet viele Jahre Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen zu den Themen Kundenzentrierung, Transformation und Sustainability.
Cornelia Sengpiel studierte BWL mit einem dt.-span. Doppeldiplom, ist zertifizierter systemischer Coach und hat einen Master in angewandten kognitiven Neurowissenschaften.