Auch im Jahr 2023 ist laut dem Human-freedom Index die persönliche und wirtschaftliche Freiheit nirgends so groß wie in der Schweiz. Freiheit ist ein Begriff, der das Selbstverständnis und die politische Identität der Schweiz prägt. Der Rütlischwur und ein bereits im Spätmittelalter ideologisch überhöhter Freiheitsbegriff, prägen den Mythos um die uralte schweizerische Freiheit.
Die Werte Freiheit und Unabhängigkeit sind tief in der Schweizer Mentalität verankert. Aus diesem Selbstverständnis heraus, wurden und werden gesellschaftliche und politische Entscheidungen getroffen, die nicht immer dem Mainstream der Umgebung entsprechen. Warum ist die Schweiz denn eigentlich nicht Teil der EU geworden oder der NATO und warum gibt es überhaupt keine Bestrebungen daran, etwas zu ändern? Ein Blick in die Geschichte kann hier Verständnis schaffen.
Es gibt wenig andere Mythen, die so stark für Freiheit und Unabhängigkeit stehen, wie der „Rütlischwur“. Dieser als Befreiungsakt dargestellte Beginn der Schweizer Eidgenossenschaft prägt das idealisierte Bild der Schweizer Freiheit.
Um die Schweiz und ihre Werte zu verstehen, muss verdeutlicht sein, dass die Schweizer Orte dank ihrer geografischen Lage bereits im Mittelalter stets wichtig für die römisch-deutschen Kaiser waren, denn die Alpenpässe waren von entscheidender geostrategischer Bedeutung für die Romzüge anlässlich der Kaiserkrönungen. Aus diesem Grund besaßen die Kaiser im Alpenraum umfangreiche Gebiete, die nicht als Lehen vergeben, sondern direkt verwaltet wurden. Davon profitierten wichtige Städte und Täler in der Schweiz, besonders als die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst im 13. Jahrhundert groß waren: In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden die Städte Zürich, Bern, Freiburg und Schaffhausen zu Reichsstädten ernannt und Uri und Schwyz erhielten die Reichsunmittelbarkeit. Das heißt, sie waren dem Kaiser direkt unterstellt.
1273 setzte Rudolph I. von Habsburg Vögte als Vertreter der königlichen Gewalt ein, diese Vögte wurden stark in der Innerschweiz angefeindet. Nachdem Tod Rudolphs entstand der „Ewige Bund“ zwischen Uri, Schwyz und Unterwalden, vermutlich um sich gegen rechtliche Veränderungen durch den Nachfolger Rudolphs abzusichern.
Erst 1758 wurde im Archiv von Schwyz der erste Bundesbrief gefunden und später auf den 1. August 1291 datiert. Dieser Bundesbrief gilt als das älteste Verfassungsdokument der Schweiz. Aber erst seit dem 19. Jahrhunderts wird dieser Bundesbrief für die offizielle Gründungsurkunde der Schweiz gehalten. So wollte man den 1848 gegründeten Bundesstaat in eine Kontinuität zu der alten Eidgenossenschaft stellen. Es entstand der Gründungsmythos um den Rütlischwur. Dieser trug vor allem durch die literarische Darstellung von Schillers „Wilhelm Tell“ maßgeblich zu der Legendenbildung um den Bund der Urkantone auf dem Rütli bei, wo freiheitsliebende Männer den Ewigen Bund beschworen haben.
Für den nationalen Zusammenhalt wurde der als Befreiungsakt dargestellte Bund ein Symbol für eine jahrhunderte alte Tradition zur Freiheit und Freiheit wurde zum ursprünglichen Zustand der Schweizer Urkantone erklärt.
Dass die Bedeutung dieses Bundes im Mittelalter politisch gar nicht so groß gewesen ist und der Freiheitsbegriff sich über die Jahrhunderte gewandelt hat, spielt in diesem idealisierten Bild der Schweizer Freiheit keine Rolle. Denn der 1291 geschlossene Bund war ein Landbündnis, wie viele andere zu der Zeit geschlossene und auch kein revolutionärer Akt. Seine Bedeutung für das Bild der Schweizer Freiheit aber um so größer.
Mit dem Rütlischwur war die Einheit der Schweiz als Bollwerk gegen die Unfreiheit keineswegs gegeben. Es folgte mit den Schlachten von Morgarten und Sempach weiterhin kriegerische Auseinandersetzungen mit den Habsburgern. Eine Zeit, in der einzelne Schweizer Regionen auch eigene Expansionsbestrebungen hatten. Der Rütlischwur war also keineswegs der Beginn einer Zeit der Einigkeit und des Friedens. Es handelte sich dabei eher um eine lockere Kooperation von den Kantonen, die ein gemeinsames Ziel hatten: Die Unabhängigkeit von den Habsburgern.
Ein weiterer Meilenstein in der Genese der Eidgenossenschaft waren die Burgunderkriege, die im 15. Jahrhundert gegen Karl den Kühnen geführt wurden. Die Eidgenossen gingen siegreich aus diesem Krieg hervor und konnten sich damit als vorherrschende Macht im süddeutschen Raum etablieren. Übrigens gibt es seitdem den guten Ruf der Schweizer Söldner und legte letztlich den Grundstein für das militärische Selbstverständnis, das tief in der Schweizer Mentalität verankert ist. Der spektakuläre Sieg über die Burgunder festigte den Mythos der unbesiegbaren Schweizer, deren Armee so viel einfacher ausgestattet war, als die hochgerüsteten Burgunder.
Die Habsburger starteten einen letzten Versuch, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern, aber nach dem Schwabenkrieg erkannte der deutsche König Maximilian im Frieden von Basel die Selbständigkeit der Eidgenossen an. Appenzell trat 1513 als letzter Kanton der Eidgenossenschaft bei. Rechtlich blieb die Eidgenossenschaft aber noch bis 1648 Teil des Heiligen Römischen Reiches.
Die entstandene „Alte Eidgenossenschaft“ war ein Zusammenschluss von 13 Kantonen mit komplizierter Bündnisgestaltung und kann als Vorläufer der heutigen Schweiz gesehen werden. Sogenannte „Gemeine Herrschaften“ waren Gebiete, die als Vogteien gemeinsam verwaltet wurden, außerdem besaß jeder Kanton „Untertanengebiete“. „Zugewandte Orte“ waren mit der Eidgenossenschaft verbunden, besaßen aber kein Mitspracherecht in der Tagsatzung, der Versammlung der Alten Eidgenossenschaft.
Dieser Transformationsprozess, der die Bedeutung des Adels rapide sinken ließ, ließ gleichzeitig die Bedeutung von Freiheit und Eigentum steigen. Als „frei“ galt im Spätmittelalter, wer nicht Leibeigener oder Vasall war, und somit waren die meisten Menschen in der Innerschweiz „frei“. Wer „frei“ war, konnte über sein Eigentum verfügen. Auch in den eidgenössischen Städten wurde der Freiheitsbegriff immer zentraler und der Mythos der „freien Schweizer“ wurde im Diskurs der Gelehrten immer wichtiger und schließlich zum Kernbegriff der Schweizer Identität.
In der Alten Eidgenossenschaft wurden republikanische Gedanken immer populärer und Freiheit und Autonomie des Gemeinwesens stellten wichtige Abgrenzungspunkte gegenüber dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dar.
Die religiösen Umbrüche und Spaltungen, beginnend mit der Reformation, machten auch vor der Schweiz nicht halt. Allerdings verlief die Reformation in der Schweiz anders als in Deutschland. Es gab große konfessionelle Differenzen in der Eidgenossenschaft und grade deshalb gingen die Orte während des Dreißigjährigen Krieges zwar durchaus Bündnisse mit Ländern ihrer konfessionellen Prägung ein, aber ein militärisches Eingreifen, abgesehen von der Entsendung „Schweizer Söldner“, fand nicht statt. Der Dreißigjährige Krieg war somit ein wichtiger Wendepunkt in der Schweizer Geschichte. Aufgrund dieser relativen Neutralität und wegen nicht vorhandener Kriegsschauplätze auf Schweizer Gebiet konnte sich durch einen Anstieg der Lebensmittelpreise und einem Handel ein ungeahnter Wohlstand entwickeln. Während im restlichen Europa Lebensmittelknappheit, Verwüstungen bestand, konnte die Schweiz Agrarprodukte zu günstigen Preisen verkaufen. Im Verlauf des Krieges gab es immer wieder Grenzverletzungen der Eidgenossen, was zur Gründung des Bundesheeres führt und die bewaffnete Neutralität begründete. Mit dem Westfälischen Frieden und der rechtlichen Ablösung und der anerkannten Souveränität der Eidgenossenschaft entkoppelte sie sich endgültig vom Heiligen Römischen Reich.
Die Schweizer Eidgenossenschaft konnte sich aber nicht dazu durchringen, eine Republik zu werden, zu manifestiert war die traditionelle Auffassung von Freiheit. Gemeinden und Städte stemmten sich immer wieder gegen den Ausbau eines modernen Staates und der dazugehörigen Vereinheitlichung von Steuern und Rechtsinstitutionen. Die kommunale Freiheit war weiterhin ein starker Identitätsstifter der Schweiz und diese stand, gemeinsam mit dem militärischen Milizsystem, in starkem Gegensatz zu den europäischen Nachbarstaaten. Dort entstanden Beamtentum, nationale Institutionen und ein Militärapparat, dieser Zentralismus stand in starkem Gegensatz zu der kommunalen Selbstverwaltung der eidgenössischen Kommunen und die im 17. Jahrhundert auch von Zeitgenossen als schweizerische Freiheit gewertet wurde.
Mit dem Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war der souveräne völkerrechtliche Status der Schweiz anerkannt. Die eidgenössischen Staaten verstanden sich als souverän und verkehrten mit den anderen europäischen Staaten auf diplomatischer Augenhöhe.
Hatte die Eidgenossenschaft während des Dreißigjährigen Krieges noch von wirtschaftlichem Wachstum profitiert, sanken nach Kriegsende die Preise und viele Schweizer Bauern, die während der Zeit der Prosperität Kredite aufgenommen hatten, waren nun hoch verschuldet. Der andere Wirtschaftszweig der Schweiz, das Söldnertum, brach ebenfalls ein. Es wurden daraufhin neue Steuern eingeführt, um diesen Einnahmeausfall auszugleichen.
Es entstand in den Folgejahren eine finanzielle Krise mit Inflation, die schlussendlich im Schweizer Bauernaufstand endete. Dies sollte weitere schweizerische Bürgerkriege nach sich ziehen. Denn die Schweizer Obrigkeiten waren keineswegs bereit, ihre Macht zu teilen. Dies stand im absoluten Gegensatz zu der Auffassung von der oben beschriebenen Auffassung von Freiheit. Die Eliten sahen ihre Freiheit über derjenigen der Untergebenen stehend. Dieser Konflikt wurde durch die gesamte Zeit des Ancien Régime getragen. Auf den Schweizer Bauernkrieg im Jahr 1653 folgten die Villmerger Kriege von 1656 und 1712. Dabei handelte es sich um kriegerische Auseinandersetzungen zwischen reformierten und katholischen Schweizer Orten und Städten. Der erste Villmerger Krieg endeten mit der Vormachtstellung der katholischen Orte. Der Zweite Villmerger Krieg endete mit dem „Vierten Landfrieden“, der schließlich die Hegemonialstellung der katholischen Orte beendete. Es wurde damit auch ein Religionsfrieden in der Eidgenossenschaft hergestellt. In allen Belangen, die beide Religionen betrafen, herrschte nun Parität.
Diese konfliktreiche Zeit bremste die Eidgenossenschaft in ihrer staatlichen Entwicklung aus. Anders als in den europäischen Nachbarstaaten konnten sich währenddessen keine staatlichen eidgenössischen Institutionen herausbilden, wie beispielsweise ein Beamtentum. Auch das militärische Milizsystem blieb weiterhin erhalten, ebenso behielten die Kommunen ihre Selbstverwaltung.
Und doch war es doch genau diese Entwicklung, die immer wieder, auch von Zeitgenossen, als Beleg für die Schweizer Freiheit gewertet wurde.
Die Schweiz bestand zu diesem Zeitpunkt aus einem Zusammenschluss von souveränen Kleinstaaten, die sich in einem Staatenbund zusammengeschlossen. Dabei gab es große Unterschiede, der Kern der Eidgenossenschaft wurde von den „13 Alten Orten“ dargestellt, das waren entweder Städte oder Landorte. Dazu kamen die „Untertanengebiete“, diese unterstanden entweder einem der „13 Alten Orte“, oder sogar mehreren und waren damit „gemeine Herrschaften“, ebenso gab es die „zugewandten Orte“, die in einem lockeren Verhältnis zu dem Bund der „13 Alten Orte“ standen.
Es gab als gemeinsame Institution die sogenannte „Tagsatzung“, die Versammlung von den Abgesandten der Orte. Allerdings war ihre legislative und exekutive Macht begrenzt, diese übte in der Regel der Kanton aus. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Verwaltung der gemeinen Orte, der Verteidigung und der Außenpolitik. Allerdings war auch ihre Macht hier begrenzt, da stets eine Einigkeit in der Entscheidungsfindung nötig war, die oft nicht zustande kam.
Das Ancien Regime ist die Zeit der absoluten Staaten, aber auch Beginn des aufgeklärten Zeitalters und damit einhergehend, werden von den zeitgenössischen Intellektuellen Staatsformen, Pädagogik und auch Begriffe wie Freiheit diskutiert. Zahlreiche Gelehrte waren in der Schweiz ansässig, darunter Rousseau, der mit seiner Staatstheorie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der direkten Demokratie geleistet hat, aber auch Bodmer, Pestalozzi und Lavater lebten in der Schweiz. Doch auch außerhalb der Schweiz gab es auf der Basis von Naturbegeisterung und der Diskussion des Freiheitsbegriffs eine regelrechte Schweizbegeisterung. Es entstand, auch durch die Werke der Gelehrten, ein schweizerisches Nationalbewusstsein, das mit der Gründung der Helvetischen Gesellschaft 1761 gestärkt wurde. Diese war eine überkonfessionelle Vereinigung, in der das neue nationale Bewusstsein sein Zentrum fand.
Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hatte großen Einfluss auf die politische Entwicklung der Eidgenossenschaft. In den heutigen USA hatte sich ein Staat konstituiert, dessen Grundsatz auf der natürlichen Freiheit und Gleichheit aller Menschen gegründet war. Damit eröffnete sich eine neue Debatte über die Schweizer Freiheit. Dabei gab es drei Hauptströmungen in der Diskussion. Die Konservativen sahen die Schweizer Freiheit durch den Rütlischwur als vollendet an, frühliberale Zeitgenossen waren gemäßigter und plädierten für Erneuerungen und es gab Verfechter des französischen Modells. Vor allem war diese Diskussion eine theoretische. Das Ende des 18. Jahrhunderts war maßgeblich geprägt von dem Gedanken, dass die „Urschweiz“ aus dem Gedanken von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit entstanden ist und nun erneuert werden müsse.
Die Diskussion um Freiheit und Staatstheorie wurden vor allem theoretisch geführt, eine praktische und politische Auseinandersetzung mit diesen Themen gab es wenig. Erst mit der amerikanischen Revolution und der Menschenrechtserklärung von 1789 zu Beginn der Französischen Revolution kam es hier zu ernsthaften Diskussionen um Reformen.
Die französische Republik eroberte nach und nach Gebiete und 1798 war klar, dass sie auch vor der Eidgenossenschaft nicht haltmachen würde. Die Schweiz konnte gegen die französische Übermacht nicht Stand halten. Nur in Nidwalden flackerte Widerstand auf und entfachte einen Kriegsschauplatz auf Schweizer Boden, der allerdings zugunsten der französischen Eroberer entschieden wurde.
In der Schweiz gab es revolutionäre Handlungen, die Gemeinen Herrschaften erklärten sich für frei und zu unabhängigen Kantonen und verlangten in die Gemeinschaft der 13 Alten Orte aufgenommen zu werden. Hier allerdings gab es grundsätzliche Interessensunterschiede, denn die Besatzer wollten einen Einheitsstaat nach französischem Vorbild und keine Erweiterung der alten Eidgenossenschaft.
Die Besatzer stießen nicht auf Gegenliebe, die neue Helvetische Republik nahm keine Rücksicht auf Schweizer Eigenheiten, kritisiert wurde die zentralistische Bürokratie, die in starkem Gegensatz zu der traditionellen schweizerischen regionalen und kantonalen Selbständigkeit stand. Nach Abzug der französischen Truppen kam es 1802 zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen denen, die für einen Einheitsstaat eintraten und den Föderalisten, die eine Wiederherstellung der alten Kantone forderten. Die föderale Tradition in der Schweiz war groß und erst als Napoleon 1803 eingriff, wurde mit der „Schweizerischen Eidgenossenschaft“ eine Periode der relativen Ruhe eingeläutet. Die Kantone wurden wiederhergestellt, der Bund war weniger stark und übernahm nur die Aufgaben, die ihm von den Kantonen übertragen wurde.
Auf dem Wiener Kongress wurde nach langen Verhandlungen beschlossen, wie die Eidgenossenschaft in Zukunft ausgestaltet sein sollte. Der Zweck der Föderation von nun 22 Kantonen sollten Freiheit, Ruhe und Sicherheit sein.
Die Tagsatzung war die einzige, im Bundesvertrag festgelegte, Bundesbehörde. Wer deren Vorsitz innehatte, galt als Staatsoberhaupt der Schweiz. In der Tagsatzung konnte unter anderem über das eidgenössische Heer und über Handelsverträge mit dem Ausland bestimmt werden. Die Kantone erhielten nun wieder große souveräne Rechte und durften auch untereinander Bündnisse schließen, sofern sie sich nicht gegen einen anderen Kanton oder den Bund richteten.
Im Bundesvertrag waren keine Freiheitsrechte für die Schweizer Bevölkerung festgehalten, es wurde keine Religions-, Presse- oder Rechtsgleichheit garantiert. Die Kantone versuchten, die alte Ordnung wiederherzustellen und konnten sich eigene Verfassungen geben, was sehr unterschiedlich geschah und es gab große interkantonale Unterschiede. Was die Freiheit in den Schweizer Gebieten angeht, bedeutete die aufgehobene Religionsfreiheit deutliche Einbußen, die Kantone stellten auch hier ihre alte Ordnung her.
Eine Idealisierung der Bergregionen und des einfachen Hirtendaseins wurden Teil der romantischen Darstellung der Schweiz. Es entstand ein Bild der Schweiz als Gesinnungsnation, wo kulturelle und sprachliche Unterschiede überbrückt wurden und deren Zusammenhalt sich auf den Werten von Freiheit, Recht und staatsbürgerlicher Gleichheit bildete. Diese kulturelle gemeinsame Gesinnung wurde durch die Gründung von Vereinen vorangetrieben. Typisch für die Zeit, wurden auch in der Schweiz Turnvereine gegründet, aber auch Schützenvereine, Sängervereine und andere lokale Zusammenschlüsse erfolgten.
Die Julirevolution in Frankreich 1830 hatte auch Auswirkungen auf die Schweiz, hier gab es in vielen Kantonen neue Verfassungen, die deutlich liberale Züge trugen. Die liberal regierten Kantone versuchten Einfluss zu nehmen, dass der Bundesvertrag einer Revision unterzogen wird - allerdings erfolglos. In der Folge bildeten sich Sonderbünde heraus und die liberalen Bestrebungen waren sehr darum bemüht, dass der Einfluss der katholischen Kirche sank. Die Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Katholiken mündeten schlussendlich im Sonderbundkrieg 1847. Die katholischen Kantone schlossen sich zu einem Sonderbund zusammen, dagegen beantragten die liberalen Kantone auf der Tagsatzung, den Sonderbund aufzulösen. Die Sonderbundkantone holten sich bei den konservativen Großmächten in Europa Unterstützung und die Tagsatzung entschied sich daraufhin zur Mobilisierung der Armee. Der Sieg der eidgenössischen Armee über die Sonderbundkantone zwang diese zur Kapitulation. Diese letzte kriegerische Handlung auf eidgenössischem Boden läutete eine neue Phase in der Schweizer Geschichte ein.
Nach dem Ende des Sonderbundkrieges war der Weg zur Liberalisierung frei. Das konservative Lager hoffte darauf, möglichst viel vom Föderalismus zu erhalten und die Liberalen plädierten für einen Einheitsstaat. Es wurde der Mittelweg: 1848 trat Bundesverfassung in Kraft, die legislative Gewalt wurde ein Zweikammernsystem, mit dem Nationalrat (gewählt auf der Grundlage des allgemeinen, freien, männlichen Wahlrechts) und dem Ständerat (hier wurden pro Kanton zwei Vertreter gewählt). Die Bundesversammlung, die aus diesen beiden Kammern bestand, wählte den Bundesrat, ein siebenköpfiges Gremium, das in Einzelressorts aufgeteilt wurde. Der Vorsitz wurde jedes Jahr neu bestimmt, der Bundespräsident war ein primus inter pares und vertrat die Interessen der Schweiz auch in der Außenpolitik.
Die Bundesverfassung garantierte Presse-, Versammlungs- und Petitionsfreiheit, die Religionsfreiheit war weiterhin Sache der Kantone, dies wurde erst 1874 per Verfassungsrevision korrigiert, damit galt ab dann auch die Ehefreiheit.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte das mehrsprachig geprägte Land vor große innere Konflikte. Die deutschsprachigen und französischsprachigen Regionen waren eher den jeweiligen Nachbarn zugetan. Als Italien in den Krieg eintrat, war das kleine Land komplett von Kriegsparteien umzingelt. Es wurde eine große Herausforderung, die Versorgung des Landes sicherzustellen. An den Landesgrenzen waren zu Verteidigung Soldaten der Schweizer Armee positioniert. Da es noch keine Verdienstausfallentschädigung gab, ging es den Soldaten, die in dieser Zeit jeweils rund 500 Tage Wehrdienst leisteten, wirtschaftlich oft schlecht.
In dieser Zeit der Umbrüche, die gleichzeitig die Schweizer Demokratie und das Nationalbewusstsein konsolidierte, änderte sich auch der Begriff von Freiheit. Wurde der Begriff der Freiheit zur Zeit der Bundesverfassung noch mit Föderalismus gleichgesetzt, änderte sich dies mit der Industrialisierung und sozialpolitischen Zielsetzungen. Der Staat wurde nun in die Pflicht genommen, einen Rahmen von Freiheit zu schaffen, der unabhängig war von der sozialen Stellung.
Die Zwischenkriegszeit und auch die Zeit des Zweiten Weltkrieges hatten in der politischen Entwicklung der Schweiz keinerlei große Umbrüche zur Folge. Das politische System blieb stabil, auch wenn sich der Sozialstaat weiterentwickelte und größere wirtschaftliche Krisen in Europa und der Welt natürlich auch Auswirkungen auf die Schweiz hatten.
Prägend war für diese Zeit, dass die Schweiz ihre Neutralität erhalten konnte und diese international anerkannt wurde. Diese war vor allem in der Zeit des Zweiten Weltkrieges von essentieller Bedeutung, die Schweiz war wieder von Kriegsparteien umzingelt und zeitweise auch von ausschließlich von den Achsenmächten umschlossen. Warum die Schweiz von den Eroberungszügen verschont geblieben ist, ist historisch bis heute umstritten.
In der Nachkriegszeit wurde die direkte Demokratie in der Schweiz, die in den Kriegsjahren nur eingeschränkt ausgeübt wurde, wieder gestärkt. Etwas später wurde die sogenannte „Zauberformel“ zur Besetzung des Bundesrates 1959 eingeführt, sodass dieser entsprechend der Mehrsprachigkeit, der Religionszugehörigkeit und der Parteienlandschaft aufgestellt war.
Die Schweiz führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere Diskussionen, das Frauenwahlrecht wurde 1971 eingeführt, im Kanton Appenzell Innerhoden sogar erst 1990. Die Neutralität wollte die Schweiz halten, weshalb eine Mitgliedschaft der UNO abgelehnt wurde, 2002 wurde sie UNO-Mitgliedsstaat, ebenso ist sie auch Mitglied in anderen internationalen Organisationen.
Die Neutralität der Schweiz ist auch heute international anerkannt, somit ist sie auch nicht Mitglied der NATO. Mit der EU bestehen bilaterale Beziehungen, der Wunsch nach einem Dialog mit der EU ist da.
Die Schweiz gilt auch heute als eines der freiesten Länder der Welt, wie man sieht, waren Freiheit, Föderalismus und die größtmögliche Unabhängigkeit in der gesamten historischen Entwicklung der Schweiz konstante Handlungsgrundlagen und haben die politische Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Das bedeutet aber nicht, dass in der Schweiz alles erlaubt ist und auch nicht, dass die Freiheit in allen Kantonen schweizweit gleich ist. Der Avenir-Suisse-Freiheitsindex vergleicht, anhand von unterschiedlichen Indikatoren, in welchem Kanton es sich am freiesten leben lässt. Zu diesen Indikatoren zählen neben Steuerbelastungen zum Beispiel auch die freie Schulwahl oder die Möglichkeit nach Homeschooling.
Die Schweiz hat sich über die Jahrhunderte zu dem heutigen Status Quo gewandelt und sich dabei stets an die politischen und außenpolitischen Gegebenheiten angepasst. Dies geschah immer im Zusammenspiel mit den tief verankerten Werte wie Föderalismus, Unabhängigkeit und Freiheit. Dieser Wandel wird weiterhin stattfinden und sich auch in Zukunft unter diesen Voraussetzungen an die Gegebenheiten anpassen, denn Freiheit und Neutralität sind stets gefährdet.
Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner führt die Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft Unternehmerkompositionen GmbH. Er ist auf die Gestaltung von nationalen und internationalen Stiftungs-Strukturen spezialisiert und hat bereits über 140 Gründungsprojekte erfolgreich begleitet.